Bisher durften Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel nur von ärztlichem Personal verordnet werden. Seit dem 01.01.2022 dürfen Pflegefachpersonen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel im Sinne der Pflegebedürftigen in der häuslichen Pflege empfehlen.
Gesetzliche Grundlagen
Im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, oder auch Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), das im Juli 2021 in Kraft getreten ist, wurden wichtige Veränderungen in der Pflege beschlossen, um die Kompetenzen von Pflegefachpersonen zu erhöhen und das ärztliche Personal, insbesondere Hausärzt*innen, zu entlasten. Der GKV- Spitzenverband hat, aufbauend auf dem GVWG, die Richtlinie zur Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln durch Pflegefachkräfte gemäß § 40 Absatz 6 Satz 6 SGB erarbeitet.
Geltungsbereich der neuen Richtlinie
Die neue Regelung zur Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln gilt ausschließlich für die häusliche Pflege und nicht für stationäre Leistungen.
Die Richtlinie gilt für:
- häusliche Pflege nach § 36 SGB XI Pflegesachleistung,
- Beratung von Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit nach § 37 Absatz 3 SGB XI,
- häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V und
- außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V.
(GKV-SV 2021: 4)
Hausärzt*innen können weiterhin Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel verordnen, wenn Pflegebedürftige von ihren Angehörigen gepflegt werden und keinen Pflegedienst haben.
Wer darf nach der neuen Richtlinie eine Empfehlung aussprechen?
Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel dürfen gemäß der Richtlinie nur von Pflegefachpersonen empfohlen werden.
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Frau Lemke ist 84 Jahre alt und lebt bei der Familie ihrer Tochter in einer eigenen kleinen Wohnung. Frau Lemke ist pflegebedürftig und hat den Pflegegrad 2. Die Familie versorgt und betreut Frau Lemke eigenständig ohne einen ambulanten Pflegedienst.
Jedes halbe Jahr kommt die Pflegefachperson Kirsten Polat vom ambulanten Pflegedienst für den Beratungseinsatz zu Frau Lemke nach Hause. Bei diesem Termin können Frau Lemke und ihre pflegenden Angehörigen alle Fragen und Sorgen loswerden und Frau Polat überprüft, ob Frau Lemke zu Hause gut versorgt ist.
Beim heutigen Beratungseinsatz erzählt Frau Lemke, dass sie sich seit einem Monat nur noch am Waschbecken waschen kann, da ihr Badezimmer nur eine Badewanne hat und ihr ein sicheres Ein- und Aussteigen nicht mehr gelingt.
Was wären die nächsten Schritte, damit Frau Lemke einen Badewannenlifter bekommt?
Das Relias-Team hat im März 2022 dazu einen E-Learning-Kurs entwickelt, wie der Ablauf gemäß der neuen Richtlinie aussehen könnte.
Verordnung versus Empfehlung – eine Begriffserklärung
Gemäß der neuen Richtlinie dürfen Pflegefachpersonen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel empfehlen, aber nicht verordnen. Die neue Empfehlungsbefugnis für Pflegefachpersonen entspricht aber im Falle der Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung bei genauer Betrachtung einer ärztlichen Verordnung.
(GKV-SV 2021: 3)
Lernen Sie den Ablauf mit unseren E-Learning-Kursen
Wie der Ablauf gemäß der neuen Richtlinie aussehen könnte, welche Voraussetzungen und Indikationen beachtet und welche Formulare verwendet werden müssen, erfahren Sie in den zwei E-Learning-Kursen, die das Relias-Team entwickelt hat.
- Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung veröffentlicht im März 2022
- Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittel- Indikationen veröffentlicht im Juni 2022
Formulare zum direkten Download im Kurs
Alle wichtigen Formulare der Richtlinie können Sie sich direkt bei uns im Kurs herunterladen.
© Relias Learning GmbH
Übungen zur Empfehlung
Wir zeigen Ihnen am Beispiel von Frau Lemke, wie Sie das Antragformular richtig ausfüllen und geben wichtige Hinweise, die Sie bei der Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln beachten müssen.
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Um Erfahrung in der richtigen Auswahl von Produkten zu sammeln und das in der Situation richtige Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel zu empfehlen, können Pflegefachpersonen im Relias- Kurs „Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittel- Indikationen“ an verschiedenen Fallbeispielen die Vorgehensweise zur richtigen Empfehlung passender Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel üben.
Stellen Sie sich dazu folgende Situation vor:
Herr Mauser ist Diabetiker und hat eine schwer heilende Wunde am Bein, die Sie als Pflegefachperson eines ambulanten Pflegedienstes 3-mal pro Woche versorgen. Während der Versorgung der Wunde erzählt Ihnen Herr Mauser, dass sein Bett zu niedrig ist und er sich nicht mehr ohne Hilfe darin aufsetzen kann. Er schläft deshalb seit einem halben Jahr auf dem Sofa.
Welches Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel würden Sie Herrn Mauser empfehlen?
- eine Aufrichthilfe
- ein Pflegebett
- einen Lifter
- Sicherheitsgriffe
Waren Sie auch dazu geneigt, Herrn Mauser ein Pflegebett zu empfehlen? Gerade Pflegebetten werden in der Praxis oft aus den falschen Gründen empfohlen beziehungsweise verordnet. Eine Aufrichthilfe wäre im Beispiel von Herrn Mauser die richtige Wahl gewesen.
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Was würden Sie empfehlen?
Im Arbeitsalltag das richtige Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel zu empfehlen, ist nicht immer leicht. Die Indikationen für ein Produkt sind oft anders, als auf den ersten Blick vermutet.
Hier gilt der Leitsatz: „Gut gemeint, ist nicht gleich gut empfohlen.“ Pflegefachpersonen müssen bei der Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln darauf achten, dass ihre Empfehlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind.
(§ 12 Abs. 1 SGB V)
Produktgruppen des Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses
In diesem weiterführenden Kurs erhalten die Lernenden eine Auflistung aller Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sie als Pflegefachperson empfehlen dürfen. Neben einem allgemeinen Überblick erhalten sie auch Einsicht in die unterschiedlichen Produktgruppen mitsamt der Untergruppen, die in der Richtlinie und im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes aufgeführt sind.
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In der zweiteiligen Kursreihe von Relias erhalten Pflegefachpersonen also alle wichtigen Informationen zu den aktuellen Änderungen in der Verordnung bzw. Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln. Sie können praxisnah an vielen Fallbeispielen üben, wie sie die neue Richtlinie richtig umsetzen.
- Im ersten Kurs „Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung“ erfahren Lernende, wie sie die neue Richtlinie umsetzen und erfahren, wie sie ohne ärztliche Verordnung Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel beantragen.
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- Im zweiten Kurs „Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittel- Indikationen“ können sie an vielen verschieden Fallbeispielen üben, welches Produkt das Richtige ist und welche Produktgruppen Pflegefachpersonen aus dem Hilfsmittelverzeichnis des GKV- Spitzenverbandes empfehlen dürfen.
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Zusammenarbeit mit der Fachautorin Carina Gallus
Die Inhalte beider Kurse wurden in Zusammenarbeit mit der Fachautorin Carina Gallus (geb. Winter) geschrieben. Frau Gallus ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und absolvierte den ausbildungsintegrierten Studiengang angewandte Gesundheitswissenschaften für Pflege und Geburtshilfe an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts. Von 2018–2020 absolvierte sie ein Masterstudium im Bereich Gesundheitsmanagement. Frau Gallus ist als Regionalleiterin beim Medizinischen Dienst tätig.
Quellen
Bundesgesetzblatt (2021): Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsvorsorgeweiterentwicklungsgesetz – GVWG), Teil I Nr. 44.
GKV-Spitzenverband (GKV-SV) (2021): Richtlinien zur Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln durch Pflegefachkräfte gemäß § 40 Absatz 6 Satz 6 SGB XI.
Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes.
Sozialgesetzbuch (SGB) – Fünftes Buch (V), Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477).Sve
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