Ab dem 1. Juli 2026 treten die neuen Qualitätsprüfungsrichtlinien für ambulante Pflegeeinrichtungen (QPR-Ambulant) verbindlich in Kraft. Diese Reform markiert einen Wendepunkt für alle Pflegedienste in Deutschland. Der Fokus verschiebt sich weg von dokumentationsgestützter Kontrolle hin zu einer echten Bewertung der pflegerischen Wirkung im Alltag der betreuten Personen. Im Mittelpunkt steht nicht länger die Frage, ob Formulare korrekt ausgefüllt sind, sondern ob Pflege die Lebensqualität der Menschen tatsächlich verbessert.
Qualität als gemeinsame Verantwortung
Qualität in der Pflege ist ein vielschichtiger Begriff. Er kann bedeuten, dass Pflege wirksam, sicher und professionell ist und dass sie am Bedarf und den Bedürfnissen der versorgten Personen ausgerichtet bleibt. Pflegequalität wird also nicht länger über Aktenordner und Nachweise definiert, sondern durch die tatsächliche Wirkung im Alltag der Klient*innen.
Diese neue Sichtweise verändert auch das Selbstverständnis der Prüfenden. Externe Qualitätsprüfungen sollen künftig weniger Kontrolle, sondern vielmehr reflektierte Begleitung und Beratung sein. Der Prozess wird zu einem konstruktiven Dialog auf Augenhöhe zwischen Prüfenden und Pflegediensten. Das gemeinsame Ziel: Qualität sichtbar machen und gemeinsam verbessern.
Vom Notensystem zur fachlichen Bewertung
Ein zentrales Element der Reform ist der Abschied vom bisherigen Schulnotensystem. Bislang wurden Prüfergebnisse oft als Gesamtnoten veröffentlicht, die wenig über die tatsächliche Versorgungsqualität aussagten. Dieses starre Bewertungssystem wird abgelöst durch ein differenziertes Vier-Stufen-Modell, das die pflegerische Fachlichkeit in den Mittelpunkt rückt.
Die neue Skala reicht von A bis D. Eine A-Bewertung bedeutet, dass keine Auffälligkeiten bestehen. Eine B-Bewertung zeigt zwar kleinere Abweichungen, jedoch ohne Risiko für die versorgte Person. Eine C-Bewertung verweist auf ein erkennbares Risiko, während eine D-Bewertung ein tatsächliches Defizit mit eingetretenen negativen Folgen kennzeichnet. Dieses System bildet pflegerische Realität deutlich genauer ab und macht sichtbar, wo pflegerisches Handeln bereits wirksam ist und wo Handlungsbedarf besteht.
Pflegequalität kann dadurch transparent und praxisnah bewertet werden. Im Zentrum steht die pflegerische Wirkung, nicht die formale Richtigkeit der Dokumentation.
Fünf Qualitätsbereiche – ein umfassendes Bild der Versorgung
Die QPR-Ambulant gliedert sich künftig in fünf Qualitätsbereiche, die alle relevanten Aspekte der ambulanten Pflege abbilden.
Der erste Bereich erfasst Aspekte, die unabhängig von individuell vereinbarten Leistungen geprüft werden, etwa grundlegende Versorgungsqualität.
Der zweite Bereich bezieht sich auf die Versorgung im Rahmen individuell vereinbarter Leistungen, also auf die Pflegeplanung und Durchführung.
Im dritten Bereich werden die ärztlich verordneten Leistungen überprüft, zum Beispiel Medikamentengabe oder Wundversorgung.
Der vierte Bereich beleuchtet sonstige personenbezogene Qualitätsaspekte, während der fünfte Bereich den Pflegedienst als Organisation betrachtet.
Diese Struktur soll gewährleisten, dass die Prüfungen ein realistisches und vollständiges Bild der Versorgungspraxis liefern. Dabei werden die individuellen Lebensumstände der betreuten Personen stärker berücksichtigt als bisher.
Ergebnisorientierung als Leitprinzip
Ein Schlüsselbegriff der neuen Richtlinie ist die Ergebnisorientierung. Sie rückt die Frage in den Mittelpunkt, ob Pflege tatsächlich wirkt. Das bedeutet konkret: Erkennt die Pflegefachperson Risiken frühzeitig? Trägt die Versorgung zur Stabilität und Sicherheit im häuslichen Umfeld bei? Unterstützt sie Selbstbestimmung und Lebensqualität?
Damit entwickelt sich die Qualitätsprüfung zu einem Instrument, das Pflegeleistungen nicht nur bewertet, sondern sichtbar macht, wie sie im Alltag wirken. Diese Ergebnisorientierung fordert Pflegefachpersonen stärker als bisher, ihre Handlungen zu reflektieren und den Erfolg ihrer Maßnahmen zu belegen – weniger durch Akten, sondern durch beobachtbare Ergebnisse im Leben der betreuten Menschen.
Bedarf und Bedürfnis – zwei Schlüsselbegriffe der QPR-Ambulant
Zentral für das Verständnis der neuen QPR-Ambulant ist die Unterscheidung zwischen Bedarf und Bedürfnis. Der Bedarf beschreibt, was aus fachlicher Sicht notwendig ist; das Bedürfnis hingegen, was der oder die Pflegeempfangende sich wünscht oder als wichtig empfindet.
Beides zusammen ergibt eine personenzentrierte Versorgung, die sowohl professionell als auch individuell passend ist. Gerade in der ambulanten Pflege, wo Pflegekräfte Menschen in ihrem privaten Umfeld unterstützen, wird diese Balance entscheidend. Pflege kann dadurch nicht nur fachlich korrekt, sondern auch menschlich relevant bleibt.
Beratung statt Kontrolle – der neue Prüfansatz
Ein weiteres zentrales Element der QPR-Ambulant ist der beratungsorientierte Prüfansatz. Qualitätsprüfungen sollen künftig weniger defizitorientiert sein, sondern gezielt Stärken und Entwicklungspotenziale sichtbar machen.
Das Pflegefachgespräch nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Hier tauschen sich Prüfende und Pflegedienstmitarbeitende über konkrete Versorgungssituationen aus, reflektieren den Pflegeprozess und diskutieren gemeinsam mögliche Verbesserungen. Dieses Gespräch findet bewusst auf Augenhöhe statt und soll den fachlichen Austausch fördern, anstatt nur Kontrollaspekte zu betonen.
Das ist eine große Chance für Pflegedienste: „Eine Qualitätsprüfung soll nicht als Belastung verstanden werden, sondern als Möglichkeit, Qualität weiterzuentwickeln und gute Pflege sichtbar zu machen.“
Neue Stichprobenlogik – realistische Abbildung der Versorgungsrealität
Auch die Art, wie Prüfende künftig Stichproben auswählen, verändert sich.
Das Ziel ist, die gesamte Bandbreite der Versorgungsrealität zu erfassen – von körperlichen über kognitive Einschränkungen bis hin zu komplexen Behandlungspflegesituationen. Damit wird die Prüfung repräsentativer und fairer.
Gerade diese neue Logik bietet mehr Transparenz und stellt sicher, dass auch komplexe Pflegekonstellationen berücksichtigt werden.
Pflegedienste als aktive Partner im Prüfprozess
Ein wichtiger Unterschied zur bisherigen Praxis: Pflegedienste werden aktiv in die Qualitätsprüfung einbezogen. Sie können im Pflegefachgespräch Versorgungssituationen einordnen, Kontextfaktoren erklären und Einwirkungsmöglichkeiten aufzeigen.
Damit wird Qualität nicht mehr nur von außen bewertet, sondern gemeinsam betrachtet. Pflegedienste werden zu Mitgestaltern des Prüfprozesses. Das fördert Eigenverantwortung und stärkt das Selbstverständnis der Pflegefachpersonen als Expert*innen ihres Fachs.
Viele Einrichtungen setzen bereits heute auf personenzentrierte Pflegekonzepte. Die neue QPR macht diese guten Ansätze endlich sichtbar – ein Anreiz, Bewährtes weiter auszubauen.
Chancen und Herausforderungen der neuen QPR
Die Einführung der neuen Richtlinie bringt zahlreiche Chancen mit sich. Gute Pflege wird differenzierter erkennbar, Stärken werden hervorgehoben, und der Dialog zwischen Prüfdienst und Pflegepraxis wird intensiver.
Zugleich stellt die Umstellung viele Einrichtungen vor Herausforderungen. Veränderungen erzeugen Unsicherheit, insbesondere wenn gewohnte Abläufe hinterfragt werden. Daher ist es sinnvoll, sich für Vorbereitung, Schulung und Reflexion einzusetzen. Nur wenn Pflegedienste die neue Systematik verstehen und aktiv anwenden, kann die QPR ihr Ziel erreichen – Pflegequalität als gelebte Praxis zu begreifen, nicht als formale Pflichtübung.
Pflegequalität sichtbar machen – ein Paradigmenwechsel
Mit der QPR-Ambulant entsteht ein neues Verständnis von Qualität: Pflege soll nachvollziehbar, ergebnisorientiert und personenzentriert bewertet werden. Fachlichkeit wird gestärkt, Dokumentationslast reduziert, und die Zusammenarbeit zwischen Prüfenden und Pflegediensten gewinnt an Tiefe.
Darin steckt ein starkes Signal für die Pflegebranche: „Pflegequalität entsteht jeden Tag – nicht erst, wenn der Prüfdienst kommt.“ Diese Haltung verdeutlicht, dass Qualität nicht Kontrolle bedeutet, sondern Vertrauen in die Fachkompetenz der Pflegenden.
Fazit: Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg
Die neue QPR-Ambulant bietet Pflegediensten die Chance, Qualität neu zu denken – als lebendigen, lernenden Prozess. Wer sich frühzeitig mit den Inhalten und Anforderungen vertraut macht, kann die Veränderungen aktiv gestalten.
Pflegequalität wird künftig daran gemessen, was sie bewirkt, nicht daran, wie sie dokumentiert ist. Das stärkt die Profession, macht gute Pflege sichtbar und eröffnet neue Möglichkeiten der Qualitätsentwicklung.
Der passende Podcast bei Relias: Gut vorbereitet auf die QPR-Ambulant
Um Pflegefachpersonen optimal auf die Einführung der neuen Richtlinie vorzubereiten, bietet „Sag mal…? Der Relias-Podcast“ die neue Folge „Qualitätsprüfung ambulant“ an.
Der Qualitätsprüfer und Pflegepädagoge Daniel Amon von CareProof, dem Prüfdienst der privaten Krankenversicherung, erläutert im Fachgespräch mit dem Relias-Mitarbeiter Robert Rath, welche Ziele, Chancen und Herausforderungen mit der neuen QPR-Ambulant verbunden sind und warum diese Richtlinie für Pflegedienste eine Chance zur Weiterentwicklung bietet.
Pflegefachpersonen profitieren von anschaulichen Beispielen, praxisnahen Hintergrundinfos und Tipps zur Vorbereitung auf die Prüfung ab Juli 2026.
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