Expertenstandard Dekubitusprophylaxe

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Lesedauer: 6 Minuten

Dekubitus gehört zu den häufigsten und zugleich schwerwiegendsten Komplikationen in der Pflege. Wenn zu pflegende Personen über längere Zeit in derselben Position liegen oder sitzen, steigt das Risiko für Druckgeschwüre erheblich. Diese Wunden bedeuten nicht nur Schmerzen und Einschränkungen für die Betroffenen, sondern auch hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem. Gleichzeitig gelten sie als vermeidbare Pflegekomplikation. Genau hier setzt die Dekubitusprophylaxe in der Pflege an. Sie ist ein entscheidender Bestandteil professioneller Versorgung und ein zentrales Qualitätsmerkmal moderner Pflegepraxis.

Um Pflegefachpersonen eine klare, evidenzbasierte Orientierung zu geben, wurde der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe entwickelt. Er bündelt wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxiserfahrungen und legt verbindlich fest, welche Maßnahmen als wirksam gelten. Für Einrichtungen dient er als Grundlage, Pflegequalität messbar zu machen, und für Pflegende als verlässlicher Leitfaden im Alltag. Wer Dekubitus vorbeugen will, findet hier das zentrale Instrument, um Risiken zu erkennen und präventiv zu handeln.

Was ist ein Dekubitus und wie entsteht er?

Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes. Typischerweise entsteht er an Stellen, an denen Knochen direkt unter der Haut liegen und dauerhaft Druck auf das Gewebe ausgeübt wird. Besonders gefährdet sind deshalb die Fersen, das Gesäß, das Steißbein, die Hüfte und die Schulterblätter. Der Expertenstandard Pflege beschreibt einen Dekubitus als vermeidbare Schädigung, die durch gezielte Maßnahmen in vielen Fällen verhindert werden kann.

Die Hauptursache für die Entstehung ist anhaltender Druck, der die Blutversorgung der betroffenen Stelle unterbricht. Ohne ausreichende Durchblutung wird das Gewebe nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, es stirbt ab und es entsteht eine Wunde. Verstärkend wirken sogenannte Scherkräfte – sie entstehen etwa, wenn zu pflegende Personen im Bett nach unten rutschen und sich Hautschichten gegeneinander verschieben.

Um die Schwere eines Dekubitus eindeutig zu beschreiben, wird er in Kategorien eingeteilt. Nach ICD-10 unterscheidet man vier Kategorien. In Kategorie 1 ist die Haut zwar noch intakt, zeigt aber eine nicht wegdrückbare Rötung. In Kategorie 2 ist die Haut bereits oberflächlich geschädigt, häufig in Form von Blasen oder Abschürfungen. Kategorie 3 reicht bis ins subkutane Fettgewebe, während in Kategorie 4 sogar Muskeln, Sehnen oder Knochen sichtbar sein können. Diese Klassifikation erleichtert die Kommunikation im Team, die Dokumentation sowie die Wahl der richtigen pflegerischen oder medizinischen Maßnahmen.

Expertenstandard Dekubitusprophylaxe – Grundlagen

Der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege wurde vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelt. Er fasst wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse und pflegerische Expertise zusammen und dient damit als verbindlicher Leitfaden für die Praxis. Dekubitus gilt in der Versorgungspraxis als vermeidbare Komplikation – deshalb ist die konsequente Umsetzung des Standards ein wichtiger Indikator für professionelle Pflege.

Was ist der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe?

Der Standard beschreibt, wie Pflegende systematisch vorgehen, um die Entstehung von Druckgeschwüren zu verhindern. Er legt dabei nicht nur Maßnahmen fest, sondern auch die Struktur- und Prozessqualität, die in jeder Einrichtung vorliegen muss. Das bedeutet: Pflegefachpersonen sollen in der Lage sein, Risiken zu erkennen, Betroffene und Angehörige zu beraten und evidenzbasierte Maßnahmen umzusetzen.

Für wen gilt der Expertenstandard?

Der Expertenstandard gilt für alle pflegerischen Settings – von der Akutklinik über die stationäre Langzeitpflege bis hin zur ambulanten Versorgung. Er richtet sich an alle Pflegefachpersonen, unabhängig davon, ob sie mit alten, chronisch kranken oder frisch operierten Menschen arbeiten.

Welche Ziele verfolgt der Expertenstandard?

Zentrales Ziel ist die Dekubitusprophylaxe durch evidenzbasierte Pflege. Pflegefachpersonen sollen in die Lage versetzt werden, Risiken systematisch einzuschätzen, präventive Maßnahmen zu planen, diese im Pflegeprozess zu dokumentieren und ihre Wirksamkeit regelmäßig zu überprüfen. Damit trägt der Standard nicht nur zur direkten Gesundheit der Menschen bei, sondern auch zur nachhaltigen Verbesserung der gesamten Pflegequalität.

Expertenstandard DNQP Dekubitusprophylaxe als Qualitätsmerkmal

Ein Dekubitus, der während einer Behandlung neu entsteht, gilt als Hinweis auf mangelhafte Pflegequalität. Die Einhaltung des Standards ist deshalb nicht nur ein fachlicher, sondern auch ein rechtlicher und organisatorischer Anspruch. Einrichtungen, die den Standard konsequent umsetzen, zeigen damit ihr Engagement für qualitativ hochwertige, sichere und evidenzbasierte Pflege.

Dekubitus-Risikoeinschätzung als Basis der Pflegeplanung

Die wirksamste Dekubitusprophylaxe in der Pflege beginnt mit einer präzisen Einschätzung des Risikos. Ohne dieses Fundament können vorbeugende Maßnahmen nicht gezielt und effizient umgesetzt werden. Der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe fordert deshalb, dass Pflegefachpersonen unmittelbar zu Beginn eines Pflegeauftrags eine strukturierte Risikoeinschätzung durchführen.

Erst- und differenzierte Einschätzung

Bei der Erst-Einschätzung wird geprüft, ob grundsätzlich ein Risiko besteht. Sie erfolgt direkt nach Aufnahme oder Erstkontakt. Wird ein Risiko festgestellt, folgt die differenzierte Einschätzung, die eine umfassende Inspektion der Haut einschließt. Dabei wird jeder Risikofaktor einzeln betrachtet, etwa eingeschränkte Mobilität, Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus, Inkontinenz oder bereits vorhandene Hautschäden.

Rolle von Assessmentinstrumenten

Zur Unterstützung der klinischen Einschätzung können Instrumente wie die Braden-Skala oder die Norton-Skala genutzt werden. Sie erfassen Faktoren wie Mobilität, Aktivität, sensorische Wahrnehmung, Feuchtigkeit, Ernährung oder Reibung. Der Expertenstandard betont jedoch, dass kein Instrument allein ausreicht. Entscheidend ist die Kombination aus pflegefachlichem Wissen, Beobachtung und der Anwendung passender Skalen, die zur jeweiligen Zielgruppe passen.

Intervalle und besondere Ereignisse

Die Dekubitus Risikoeinschätzung ist ein fortlaufender Prozess. Sie wird in festgelegten Intervallen wiederholt. Hinzu kommt, dass bei besonderen Ereignissen sofort eine erneute Einschätzung erfolgen muss. Dazu gehören etwa Stürze, eine Verschlechterung des Allgemeinzustands, akute Infektionen oder die Verweigerung von Nahrung und Flüssigkeit.

Zusammenhang mit Pflegequalität

Die Risikoeinschätzung ist eng mit der Pflegequalität Dekubitusprophylaxe verknüpft. Sie bildet die Grundlage für die Planung aller weiteren Maßnahmen. Nur wenn klar dokumentiert ist, welche Risikofaktoren bestehen, können Mobilisation, Lagerung, Hautpflege oder Hilfsmittel sinnvoll eingesetzt werden. Wird das Risiko nicht rechtzeitig erkannt, entstehen Lücken in der Versorgung – und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dekubitus entsteht, steigt erheblich.

Maßnahmen der Dekubitusprophylaxe im Pflegealltag

Nachdem das individuelle Risiko eingeschätzt wurde, stellt sich die Frage: Welche konkreten Schritte helfen, einen Dekubitus zu verhindern? Der Expertenstandard empfiehlt ein Bündel von Interventionen, die sich an den jeweiligen Bedürfnissen der betroffenen Person orientieren.

Mobilisation und Dekubitusprophylaxe

Die wirksamste Maßnahme, um Dekubitus zu verhindern, ist die Förderung der Bewegung. Jede Eigenaktivität reduziert das Risiko, da sie die Durchblutung anregt und Druck von gefährdeten Stellen nimmt. Pflegefachpersonen sollen Betroffene motivieren, sich regelmäßig zu bewegen. Ziel ist immer, die Selbstständigkeit zu erhalten und gleichzeitig Druckentlastung zu gewährleisten.

Lagerung zur Dekubitusprophylaxe

Ist eigenständige Bewegung nur eingeschränkt möglich, kommt der Lagerung besondere Bedeutung zu. Regelmäßige Positionswechsel verhindern, dass Haut- und Gewebeareale dauerhaft belastet werden. Entscheidend ist, dass Lagerungsmaßnahmen individuell abgestimmt und in einem Bewegungsplan dokumentiert werden. Nicht jede Position wird von allen Betroffenen gleich gut toleriert – Schmerzen, Hautrötungen oder Unwohlsein sind Signale für eine Anpassung.

Hilfsmittel zur Druckentlastung

Manchmal reicht Lagerung allein nicht aus, um gefährdete Stellen wirksam zu entlasten. In solchen Fällen kommen Hilfsmittel zum Einsatz. Dazu zählen Weichlagerungsmatratzen und Wechseldrucksysteme, die bestimmte Körperregionen im Wechsel entlasten. Im Sitzen helfen spezielle Sitzkissen. Wichtig ist, dass Hilfsmittel die Eigenbewegung nicht ersetzen, sondern ergänzen.

Hautpflege bei Dekubitusgefahr

Eine gesunde Haut ist widerstandsfähiger gegenüber Druck und Scherkräften. Deshalb gehört die Hautpflege bei Dekubitusgefahr zu den zentralen Maßnahmen. Die Haut soll sauber und trocken gehalten werden. Hier sind milde Reinigungsmittel und pH-neutrale Produkte zu bevorzugen. Bei trockener Haut sind fetthaltige Cremes sinnvoll, bei feuchter Haut helfen Schutzpräparate. Regelmäßige Hautinspektionen geben Hinweise auf Veränderungen, die sofortiges Handeln erfordern.

Information, Beratung und Angehörigen-Einbindung

Dekubitusprophylaxe gelingt nur, wenn Betroffene und Angehörige in den Prozess einbezogen werden. Sie müssen verstehen, warum Lagerung, Mobilisation oder Hautpflege wichtig sind und wie sie selbst aktiv mitwirken können. Schulungen, verständliche Informationsmaterialien und klare Anleitungen sind hier entscheidend für die Pflegequalität.

Maßnahmen ganzheitlich denken

Die genannten Interventionen sind keine isolierten Schritte. Sie greifen ineinander und entfalten ihre volle Wirkung nur in Kombination. Wer Dekubitus vorbeugen will, braucht daher einen ganzheitlichen Ansatz, der fachliches Wissen mit individueller Anpassung verbindet.

Evidenzbasierte Pflege und Evaluation

Die Dekubitusprophylaxe lebt davon, dass Pflegende nicht nur Maßnahmen anwenden, sondern deren Wirksamkeit regelmäßig überprüfen. Genau deshalb muss jede Maßnahme evidenzbasiert begründet und kontinuierlich evaluiert werden.

Was bedeutet evidenzbasierte Dekubitusprophylaxe?

Evidenzbasierte Pflege bedeutet, dass Entscheidungen nicht allein auf Erfahrung beruhen, sondern auf einer Kombination aus wissenschaftlichen Studien, Expertenwissen und den individuellen Bedürfnissen der zu pflegende Person.

Evaluation als Pflichtaufgabe

Ein wesentlicher Bestandteil ist die regelmäßige Evaluation. In individuell festgelegten Abständen – oder sofort bei Veränderungen des Gesundheitszustands – wird überprüft, ob die Maßnahmen greifen. Das wichtigste Instrument ist die Hautinspektion. Ebenso wichtig ist die Beobachtung von Schmerzen, die auftreten können, bevor äußerlich sichtbare Schäden entstehen.

Dokumentation und Transparenz

Alle Maßnahmen und ihre Ergebnisse müssen sorgfältig dokumentiert werden. Dazu gehören Risikoassessments, Bewegungspläne, Protokolle zu Lagerungen und Wunddokumentationen. Diese Dokumentation macht Pflegehandlungen nachvollziehbar und ermöglicht eine objektive Überprüfung der Pflegequalität. Zudem schafft sie Transparenz für das gesamte Versorgungsteam, sodass alle Beteiligten dieselben Informationen haben und kontinuierlich daran anknüpfen können.

Qualität überprüfen – Indikatoren im Standard

Der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe nennt sechs Ergebnisindikatoren, die den Erfolg von Pflegeinterventionen sichtbar machen. Dazu zählen die systematische Risikoeinschätzung, die konsequente Umsetzung von Maßnahmen, die Einbindung von Betroffenen und Angehörigen, die Förderung von Bewegung und Druckentlastung, die rechtzeitige Versorgung mit Hilfsmitteln sowie die Evaluation des Hautzustands. Werden diese Kriterien erfüllt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Dekubitus vermieden wird.

Wie kann Relias Ihnen dabei helfen

Der Kurs „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe“ von Relias bietet eine strukturierte Grundlage, um den Expertenstandard Dekubitusprophylaxe sicher im Alltag umzusetzen. Er vermittelt die zentralen Prinzipien, erklärt die wichtigsten Maßnahmen Schritt für Schritt und zeigt anhand von Fallbeispielen, wie Pflegende Risiken erkennen und wirksam handeln können.

Für Pflegefachpersonen bedeutet das mehr Sicherheit im Umgang mit Dekubitus-Risikoeinschätzung, Lagerung, Mobilisation, Hautpflege und Hilfsmitteln. Für Einrichtungen wiederum bringt er klare Vorteile: weniger Nachsteuerung im Alltag, weniger Komplikationen und eine messbare Verbesserung der Pflegequalität.

Auszug aus dem Relias E-Learning-Kurs „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe“

Wissen ist damit nicht nur ein Vorteil für die einzelnen Mitarbeitenden, sondern ein Schlüsselfaktor für die gesamte Einrichtung. Wer den Kurs absolviert, stärkt sowohl die eigene Fachkompetenz als auch die Qualität der Versorgung.

Sie möchten mehr zu unserem Kurs-Angebot erfahren? Eine Übersicht unserer zahlreichen E-Learning-Kurse finden Sie hier.

Quellenverzeichnis

DIMDI – Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (2018): ICD-10-GM, Version 2022, Systematisches Verzeichnis, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, DIMDI (Hrsg.), Köln.

DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2017): Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, 2. Aktualisierung, Osnabrück, Hochschule Osnabrück.

National Pressure Ulcer Advisory Panel (NPUAP), European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) and Pan Pacific Pressure Injury Alliance (PPPIA) (2014): Prevention and Treatment of Pressure Ulcers: Quick Reference Guide. Emily Haesler (Hrsg.). Cambridge Media: Osborne Park, Australia.

schloss zunächst eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger ab. Im Anschluss arbeitete er auf einer peripheren gefäßchirurgischen Station, bevor er mehrere Jahre auf verschiedenen interdisziplinären Intensivstationen tätig war. Eine kurzzeitige berufliche Station führte ihn zudem in eine hausärztliche Praxis mit dem Schwerpunkt Virologie. Parallel zu seiner klinischen Tätigkeit absolvierte er ein Studium der Gesundheitspsychologie und Medizinpädagogik. Seit Juni 2025 ist er als Fachautor Teil des Relias-Teams.
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