Essen und Trinken gehören zu den grundlegendsten Bedürfnissen des Menschen. Sie sichern nicht nur das Überleben, sondern sind auch eng mit Wohlbefinden, Genuss und Lebensqualität verbunden. Gerade in der Pflege zeigt sich jedoch, dass die Nahrungsaufnahme für viele der zu pflegenden Personen nicht selbstverständlich ist. Krankheit, Alter oder Pflegebedürftigkeit können die Fähigkeit zu essen und zu trinken massiv einschränken. Genau hier setzt der Expertenstandard Ernährungsmanagement des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an.
Ziel dieses Standards ist es, Mangelernährung frühzeitig zu erkennen, Risiken einzuschätzen, passende Maßnahmen einzuleiten und deren Wirksamkeit regelmäßig zu überprüfen. Pflegende Personen übernehmen dabei eine Schlüsselrolle, da sie in unmittelbarem Kontakt mit den Menschen stehen und Veränderungen des Ernährungszustands am ehesten Wahrnehmen.
Warum Mangelernährung in der Pflege so relevant ist
Mangelernährung bedeutet, dass eine Person dauerhaft zu wenig Energie und Nährstoffe aufnimmt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) definiert Mangelernährung als anhaltendes Defizit, das sich negativ auf den Ernährungszustand, die physiologischen Funktionen und die Gesundheit auswirkt. Besonders ältere und kranke Menschen sind betroffen, da ihr Energie- und Nährstoffbedarf oft erhöht ist, während Appetit und Aufnahmefähigkeit gleichzeitig sinken.
Die Folgen sind gravierend: Mangelernährung führt zu Muskelschwäche, Sturzrisiken, Wundheilungsstörungen, kognitiven Einschränkungen und einem insgesamt erhöhten Risiko für Komplikationen. Auch die Dehydratation – also ein Flüssigkeitsdefizit – verstärkt die Problematik. Wer in der Pflege arbeitet, weiß: Schon kleine Veränderungen im Ernährungszustand können große Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Deshalb ist die Früherkennung von Ernährungsrisiken eine zentrale pflegerische Aufgabe.
Screening und Ernährungsassessment als Schlüssel
Der Expertenstandard sieht vor, dass Menschen mit Pflegebedarf bereits bei Beginn des pflegerischen Auftrags ein Screening durchlaufen. Das Ziel ist es, Risikopersonen schnell zu identifizieren. Dabei werden Fragen nach Gewichtsverlust, Trinkmengen und Body-Mass-Index gestellt. Werte wie ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent in drei Monaten oder ein BMI unter 20 bei älteren Menschen gelten als Warnsignale.
Für die Praxis haben sich standardisierte Instrumente etabliert, die auch im Expertenstandard benannt werden. Das Mini Nutritional Assessment (MNA) eignet sich besonders für ältere Menschen. Der NRS 2002 (Nutritional Risk Screening) ist für Krankenhäuser entwickelt worden und prüft den Ernährungszustand in Verbindung mit Schweregrad der Erkrankung. Das MUST (Malnutrition Universal Screening Tool) kombiniert Angaben zu BMI, Gewichtsverlauf und akuten Erkrankungen. Einrichtungen, in denen standardisierte Instrumente angewendet werden, erhalten eine objektive Grundlage für Entscheidungen.
Stellt das Screening ein Risiko fest, folgt das Ernährungsassessment. Hier wird tiefergehend nach Ursachen gesucht. Es reicht nicht, lediglich die Nahrungsaufnahme zu dokumentieren. Pflegefachpersonen prüfen, ob Erkrankungen, Schluckstörungen, Schmerzen oder auch psychosoziale Faktoren wie Einsamkeit die Ernährung beeinträchtigen. Hilfreich sind dabei Ernährungsprotokolle oder Trinkprotokolle, die über mehrere Tage geführt werden. So lässt sich eine verlässliche Energiebilanz und Flüssigkeitsbilanz erstellen, um zu erkennen, ob die Bedarfe gedeckt sind.
Maßnahmen zur Förderung der oralen Ernährung
Hat das Assessment Defizite aufgezeigt, werden individuelle Maßnahmen geplant. Die pflegerischen Maßnahmen richten sich dabei nach den Bedürfnissen und Ressourcen der Betroffenen.
Ein zentrales Element ist die Interaktion. Beruflich Pflegende fördern die Selbstständigkeit, indem sie motivierend anleiten, beim Essen unterstützen oder Hilfsmittel wie spezielles Besteck bereitstellen. Wichtig ist eine wertschätzende Kommunikation, die Betroffene nicht unter Druck setzt. Besonders bei Menschen mit Demenz ist eine ruhige, freundliche Atmosphäre entscheidend, um die Aufnahmebereitschaft zu erhöhen.
Auch das Umfeld spielt eine Rolle. Helle Räume, bequeme Sitzgelegenheiten und eine übersichtliche Gestaltung des Essplatzes fördern den Appetit. Ungünstig sind Hektik, Störungen oder Reizüberflutung. Manche Pflegeeinrichtungen nutzen „geschützte Essenszeiten“, bei denen Unterbrechungen vermieden werden.
Für Menschen mit stark erhöhtem Energiebedarf, beispielsweise bei Krebserkrankungen oder chronischen Wunden, kann der Einsatz von bilanzierter Trinknahrung sinnvoll sein. Diese industriell hergestellten Präparate enthalten Proteine, Vitamine und Mineralstoffe in konzentrierter Form und helfen, Defizite auszugleichen. Wichtig bleibt jedoch, die Vorlieben und Abneigungen der Betroffenen zu berücksichtigen, um Akzeptanz sicherzustellen.
Ein weiterer Baustein ist die Patientenedukation. Pflegefachpersonen informieren und beraten Menschen mit bestehender oder drohender Mangelernährung sowie Angehörige über Risiken, mögliche Maßnahmen und den richtigen Umgang mit Hilfsmitteln. Ziel ist es, Verständnis zu schaffen und die Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken. Dabei arbeiten beruflich Pflegende eng mit Personen von der Ernährungsberatung zusammen, die bei Bedarf individuelle Nährstoffbedarfe berechnen.
Evaluation und Qualitätssicherung
Der Expertenstandard fordert, dass Maßnahmen regelmäßig überprüft werden. Evaluation bedeutet, die Wirksamkeit zu messen: Hat sich der Appetit verbessert? Wurde das Gewicht stabilisiert? Sind Trink- und Ernährungsprotokolle gewissenhaft geführt? Kurzfristige Indikatoren wie eine gesteigerte Nahrungsaufnahme lassen sich schnell erfassen, während es bei Gewichtszunahmen oder einer Verbesserung des Allgemeinzustands mehr Zeit erfordert. Dabei wird auch reflektiert, ob Maßnahmen akzeptiert wurden oder Anpassungen nötig sind. Grenzen gibt es ebenfalls.
Die Qualitätssicherung in der Pflege spielt hier eine große Rolle. Dokumentation, regelmäßige Evaluation und die enge Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen sichern, dass Ernährungsmanagement kein zufälliger, sondern ein systematischer Prozess ist.
Rolle der Pflegenden im Ernährungsmanagement
Pflegende sind mehr als Helfende beim Essenanreichen. Sie übernehmen Verantwortung für die Einschätzung, Planung, Durchführung und Überprüfung der Maßnahmen. Der Expertenstandard macht deutlich, dass Ernährungsmanagement integraler Bestandteil professioneller Pflege ist. Pflegefachpersonen und Pflegeassistent*innen erkennen Risiken, leiten Assessments ein, arbeiten multiprofessionell und beraten Angehörige.
Für Pflegende bedeutet dies auch, den eigenen Blick zu schärfen: Nicht nur Untergewicht, sondern auch unerklärliche Verwirrtheitszustände, Müdigkeit oder auffällige Trinkgewohnheiten können Hinweise auf ein Ernährungsrisiko sein.
Wie kann Relias Ihnen dabei helfen
Relias unterstützt Pflegende dabei, den Expertenstandard Ernährungsmanagement sicher in die Praxis umzusetzen. Der Kurs vermittelt fundiertes Wissen über das Erkennen von Mangelernährung, die Anwendung von Screening- und Assessmentinstrumenten sowie die Planung, Durchführung und Evaluation passender Maßnahmen. Besonderen Wert legt das Lernangebot auf praxisnahe Fallbeispiele, die verdeutlichen, wie komplex Ernährungsprobleme in der Pflege sein können und welche Rolle beruflich Pflegende dabei übernehmen. Nach Abschluss des Kurses sind die Teilnehmenden in der Lage, den Ernährungszustand von gefährdeten Personen systematisch zu erfassen, Risiken wie eine drohende Mangelernährung oder Dehydratation frühzeitig zu erkennen, individuelle Maßnahmen zur Förderung der oralen Ernährung umzusetzen und Betroffene sowie Angehörige professionell zu beraten.
Besonderheiten des Kurses
Eine besondere Stärke des Kurses liegt in seinem hohen Praxisbezug. Anhand realitätsnaher Fallbeispiele wie Frau Paulus mit Pneumonie, Madame Berron im Pflegeheim oder Frau Kasiske in der ambulanten Versorgung lernen die Teilnehmenden, wie unterschiedlich sich Ernährungsprobleme äußern können und welche Maßnahmen jeweils notwendig sind. Darüber hinaus setzen interaktive Wissensfragen mit unmittelbarem Feedback wichtige Lernimpulse und unterstützen den Transfer in den Berufsalltag.
Für wen ist der Kurs geeignet?
Der Kurs richtet sich an beruflich Pflegende mit unterschiedlichen Qualifikationen und adressiert damit vor allem Pflegefachpersonen, die das Ernährungsmanagement professionell verantworten. Ihnen obliegen die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, die Pflegeplanung, die Organisation und Steuerung des Pflegeprozesses sowie die Dokumentation, Evaluation und Qualitätssicherung. Pflegehelfer*innen können die beschriebenen Maßnahmen unterstützend umsetzen, benötigen dafür jedoch die fachliche Anleitung und Aufsicht einer Pflegefachperson.
Sie möchten mehr zu unserem Kurs-Angebot erfahren? Eine Übersicht unserer zahlreichen E-Learning-Kurse finden Sie hier.
Auszug aus dem Relias E-Learning-Kurs „Expertenstandard – Ernährungsmanagement“
Quellenverzeichnis
Bapen Office, Secure Hold Business Centre, Worcs; Malnutrition Universal Screening Tool.
Bartholomeyczik, Sabine & Hardenacke, Daniela. 2010. Prävention von Mangelernährung in der Pflege, Sabine. Hannover: Schlütersche.
DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.) 2016. Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ (1. Aktualisierung, Konsultationsfassung). Osnabrück: Hochschule Osnabrück.)
