Wenn Kinder auffälliges Verhalten zeigen…
…ist das selten unbegründet. Häufig spiegeln sich darin komplexe familiäre Belastungssituationen wider, in denen Eltern an ihre Grenzen stoßen. Kinder- und Jugendhilfe wird aktiv, wenn Familien in Krisen geraten. Die Situation Alleinerziehender, psychische Erkrankungen, Überforderung – die Gründe sind vielfältig. Fachkräfte stehen dann vor der Herausforderung, nicht nur Hilfe zu organisieren, sondern vor allem Beziehung zu gestalten: mit Respekt, Fachkompetenz und systemischem Blick.
Doch wie gelingt es, in solchen Situationen wirksam, rechtlich fundiert und zugleich auf Augenhöhe Unterstützung bei Überforderung zu leisten?
Wie entstehen familiäre Belastungssituationen?
Im familiären Alltag können sich Belastungen schnell aufbauen und zu einer Herausforderung für das Familiensystem werden. Wenn Eltern oder Sorgeberechtigte in ihrer Erziehungs- und Fürsorgefähigkeit eingeschränkt sind, wirkt sich das unmittelbar auf die Entwicklung und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen aus. Für Sie als Fachkraft in der Kinder- und Jugendhilfe ist es daher entscheidend, solche Belastungssituationen frühzeitig wahrzunehmen und sensibel einzuordnen.
Äußere Belastungsfaktoren entstehen durch Einflüsse des Umfelds, die die Lebensbedingungen einer Familie verändern. Finanzielle Notlagen etwa führen nicht nur zu materiellen Einschränkungen, sondern auch zu emotionalen Belastungen und sozialer Benachteiligung. Wenn Eltern durch berufliche Überforderung, lange Arbeitszeiten oder Arbeitslosigkeit stark beansprucht sind, fehlt ihnen häufig die Kraft, ihren Kindern angemessene Zuwendung zu geben. Auch Trennungserfahrungen oder der Verlust eines Elternteils können die Familie sehr belasten und Anpassungsschwierigkeiten zur Folge haben.
Innere Belastungen können etwa durch psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen entstehen. Sie schränken häufig die elterliche Fähigkeit zur Fürsorge ein und destabilisieren den Familienalltag. Auch Konflikte oder Gewalterfahrungen belasten emotional. Sie können die Entwicklung junger Menschen dauerhaft beeinträchtigen.
Familiäre Belastungssituationen sind häufig komplex und entstehen aus mehreren Faktoren. Achten Sie als Fachkraft daher besonders sensibel auf Anzeichen von Überforderung, und entwickeln Sie gemeinsam mit den Familien individuelle Unterstützungswege. Die professionelle Begleitung und Beratung der Kinder- und Jugendhilfe kann Eltern, junge Menschen und Pflegepersonen entlasten, Ressourcen aktivieren und dazu beitragen, das Wohl der Kinder nachhaltig zu sichern.
Unterstützungsangebote gezielt einsetzen – Hilfen zur Erziehung in belasteten Familiensituationen
Wenn Familien in krisenhafte oder stark belastende Lebenslagen geraten, stehen der Kinder- und Jugendhilfe verschiedene passgenaue Unterstützungsangebote zur Verfügung. Als sozialpädagogische Fachkraft können Sie dazu beitragen, dass Sorgeberechtigte geeignete Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII beim Jugendamt beantragen und erhalten, wie sozialpädagogische Familienhilfe oder Heimerziehung.
Niedrigschwellig ansetzende Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII bietet Eltern eine erste Anlaufstelle, um sich in Erziehungsfragen beraten zu lassen. Sie ermöglicht es, Unsicherheiten frühzeitig aufzufangen und entlastende Impulse zu geben – ohne Antragsverfahren.
Wenn eine intensivere Unterstützung erforderlich ist, kann die Sozialpädagogische Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII zum Einsatz kommen. Sie begleitet Familien über einen längeren Zeitraum direkt in ihrem häuslichen Umfeld. Durch diese alltagsnahe Arbeitsweise können Sie erzieherische Herausforderungen unmittelbar aufgreifen und Ressourcen im Familiensystem stärken.
Für Kinder und Jugendliche, die individuelle Unterstützung benötigen, stellt der Erziehungsbeistand nach § 30 SGB VIII eine geeignete Hilfeform dar. Hier steht die sozialpädagogische Fachkraft vorrangig dem jungen Menschen zur Seite. Die Eltern und das soziale Umfeld werden aktiv einbezogen.
In Fällen, in denen das familiäre System nicht stabil genug ist, bietet die Kinder- und Jugendhilfe auch stationäre Hilfen nach §§ 34 bis 35a SGB VIII an. Die Unterbringung in einer Wohngruppe oder Pflegefamilie erfolgt möglichst in Kooperation mit den Sorgeberechtigten und mit dem Ziel, den jungen Menschen so lange zu schützen und zu fördern, bis das häusliche Umfeld wieder stabil und sicher ist. Der junge Mensch soll perspektivisch in die Familie zurückkehren können.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, flexible ambulante Erziehungshilfen nach § 27 Abs. 2 SGB VIII einzusetzen. Sie kombinieren verschiedene Hilfearten aus dem Leistungskatalog – individuell zugeschnitten auf die jeweilige Familiensituation und die Bedarfe einzelner Familienmitglieder.
Es gehört zu Ihrer Rolle als Fachkraft in der Kinder- und Jugendhilfe, geeignete Hilfen zu kennen, an ihrer Planung mitzuwirken und den Hilfeprozess zu begleiten – immer mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche zu stärken.
Hilfeplanung und Ihre Rolle als Fachkraft
Damit die genannten Erziehungshilfen ihre Wirkung entfalten können, spielt der Prozess der Hilfeplanung eine zentrale Rolle.
Die Umsetzung der Hilfeangebote erfolgt im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII. Dieser Prozess stellt sicher, dass die Unterstützung nicht nur gewährt, sondern auch bedarfsgerecht ausgestaltet wird. Die Hilfeplanung beginnt mit einem Antrag der Eltern oder Sorgeberechtigten beim Jugendamt – bereits ein formloses Schreiben oder ein Anruf genügt. Im Anschluss folgt die Bedarfsfeststellung, bei der die Fachkräfte des Jugendamts gemeinsam mit der Familie und gegebenenfalls weiteren Beteiligten die aktuelle Situation erfassen und einschätzen.
In einem Hilfeplangespräch entwickeln alle Beteiligten – das Jugendamt, die Eltern, das Kind oder die jugendliche Person sowie die eingebundenen Fachkräfte – gemeinsam einen individuellen Plan. Der dokumentiert sowohl den Hilfebedarf als auch konkrete Ziele und Handlungsschritte, die miteinander vereinbart werden. Um sicherzustellen, dass die Hilfe wirkt, wird der Hilfeplan in regelmäßigen Abständen überprüft und bei Bedarf angepasst – insbesondere dann, wenn sich die Lebensumstände der Familie verändern.
Als Fachkraft übernehmen Sie eine vielseitige Aufgabe. Sie …
- informieren über Hilfeangebote,
- moderieren Gespräche,
- koordinieren mit anderen Institutionen,
- dokumentieren die Prozesse und
- bringen Ihre fachliche Einschätzung ein.
Die Gesamtverantwortung für die Steuerung des Hilfeplanverfahrens liegt beim Jugendamt. Es lädt zu Gesprächen ein, führt durch die Hilfeplanung und hält die Ergebnisse verbindlich fest. So entsteht ein gemeinsamer, nachvollziehbarer und transparenter Prozess, der auf Beteiligung und Vertrauen baut – im Sinne des Kindeswohls und der Unterstützung der gesamten Familie.
Theorie trifft auf Praxis: Fallarbeit mit Max und seinem Vater
Der E-Learning-Kurs „Hilfen zur Erziehung in familiären Belastungssituationen“ von Relias unterstützt Sie dabei, fachliche Orientierung zu gewinnen. Er bietet praxisnahes Wissen, gesetzliche Grundlagen und konkrete Handlungsimpulse – kompakt, klar und anwendungsbezogen.
Der Kurs greift typische Belastungskonstellationen auf und zeigt, wie Fach- und Leitungskräfte mit professioneller Haltung und fundiertem Wissen auch in komplexen Situationen handlungsfähig bleiben.
Im Zentrum des Kurses steht das Fallbeispiel von Max (10) und seinem Vater Thomas. Nach einer familiären Krise gerät die Familie in eine Überforderungssituation: Als alleinerziehender Vater ist Thomas beruflich stark belastet und emotional erschöpft; Max zeigt Verhaltensauffälligkeiten in der Schule.
Sie begleiten die Familie durch verschiedene Stationen der Hilfeplanung – von der Erziehungsberatung bis zur sozialpädagogischen Familienhilfe. Sie erleben, wie Beteiligung gelingt und wie wichtig es ist, auch die Perspektive der Kinder sichtbar zu machen.
„Max und sein Vater teilen ihre Wünsche und Bedenken mit. Das Gespräch über Stärken, Hindernisse und Ziele der Familie hilft, ihre Sicht verständlich zu machen.“
(Auszug aus dem Kurs)
Gesetzlich fundiert und fachlich differenziert
Zentrale Grundlage des Kurses ist das SGB VIII – konkret die §§ 27 und 36 sowie die Neuerungen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG). Sie lernen, welche Hilfearten es gibt, wie sie rechtlich verankert sind und wie Hilfeplanung als kooperativer Prozess funktioniert.
Mit Reflexionsaufgaben und interaktiven Elementen wird das Wissen praxisnah verankert – ideal auch für Teams, die das Gelernte gemeinsam vertiefen wollen.
Wie kann Relias Ihnen dabei helfen, Familien in Belastungssituationen zu unterstützen?
Der Kurs „Hilfen zur Erziehung in familiären Belastungssituationen“ vermittelt:
- einen Überblick über rechtliche Grundlagen (SGB VIII, KJSG)
- Handlungssicherheit im Hilfeplanverfahren
- Wissen über Unterstützungsangebote und deren Einordnung
- ein systemisches Verständnis für Familiendynamiken
- wie Beteiligung und Kinderschutz in der Praxis umgesetzt werden können.
Besonderheiten des Kurses
- Fallbasiertes Storytelling mit Max und Thomas
- Interaktive Entscheidungen und Feedback-Elemente
- Checkliste Hilfeplangespräch zum direkten Download
- Kompakte Lernzeit: 30 Minuten
- Transferfragen zur Reflexion und Teambesprechung
Für wen ist der Kurs geeignet?
Der Kurs richtet sich an:
- sozialpädagogische Fachkräfte in der Jugendhilfe
- Quereinsteigende, die Orientierung suchen
- Leitungskräfte, die Qualität sichern wollen
- alle, die Kinder und Familien stärken wollen
Ob zur Einarbeitung, als Update oder zur Teamentwicklung – dieser Kurs ist ein wertvoller Baustein für die sozialpädagogische Praxis.
Sie möchten mehr zu unserem Kurs-Angebot erfahren? Eine Übersicht unserer zahlreichen E-Learning-Kurse finden Sie hier.
Quellenverzeichnis
Bundesministerium der Justiz (2022): SGB VIII im Volltext [online, zuletzt abgerufen: 12.06.2025].
BMFSFJ (2021): Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) [online, zuletzt abgerufen: 12.06.2025].
BundesNetzwerk Kinder- und Jugendbeteiligung (2024): Positionspapier Nr. 3 [online, zuletzt abgerufen: 12.06.2025].
DBSH (2025): AG Weiße Fahnen Berlin. [online, zuletzt abgerufen: 12.06.2025].
Frindt, A. (2010): Entwicklungen in den ambulanten Hilfen zur Erziehung. DJI. [online, zuletzt abgerufen: 12.06.2025].