Wird das MDK Reformgesetz bessere Prüfungen ermöglichen?

Inhaltsverzeichnis

Das MDK Reformgesetz für „bessere und unabhängigere Prüfungen“ wurde am 7.11.2019 vom Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschlossen. Der MDK wird ab 2020 „Medizinischer Dienst“ (MD) heißen – Das Gremium des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen firmiert unter MDS. Damit wird sich die Rechtsform und die personelle Zusammensetzung der Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste ändern, um die Verflechtungen zu den Krankenkassen zu lockern. Denn es gab Kritik an der Objektivität, etwa, dass der MDK mehr die Kostenbremse der Kassen sei als dass er die Interessen der Patienten und Pflegebedürftigen vertrete. Auch brodelt seit Jahren der Streit zwischen Krankenhäusern und Kassen um die Abrechnungen von Krankenhausleistungen.

Die wichtigsten Neuerungen des MDK Reformgesetzes

  • Mit der Reform werden die Medizinischen Dienste der neuen Bundesländer, die bisher als e.V. organisiert waren, auch in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts überführt. In den alten Bundesländern mit Ausnahme von Berlin hatten sie bereits diese Rechtsform. Dabei wird der Verwaltungsrat erweitert. Von den 23 Mitgliedern werden weiterhin 16 von den Krankenkassen benannt. Wer hauptamtlich bei Krankenkassen und deren Verbänden beschäftigt ist, kann nicht mehr im Verwaltungsrat sein. Fünf Mitglieder werden von Patienten- und Verbraucherschutzverbänden benannt und zwei von den Verbänden der Pflegeberufe und den Landesärztekammern.
  • Es geht um viel Geld: Mit 77 Milliarden Euro kosten die Klinikbehandlungen am meisten und laut GKV-Spitzenverband, dem Spitzenorgan der gesetzlichen Krankenkassen, war 2018 jede zweite Krankenhausabrechnung fehlerhaft. Die Krankenhäuser werden deshalb ab 2021 quartalsweise geprüft, aber nach einem Qualitätsmodell von 5 – 15 Prozent der Fallrechnungen. Es gibt weniger Prüfungen, je seltener der MD Abrechnungen beanstandet. Verboten werden Sondervereinbarungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern, die Rabatte und die Umgehung der Prüfungen vorsahen. Allerdings müssen die Krankenhäuser Strafzahlungen entrichten, wenn der MD eine Abrechnung beanstandet: Mindestens 300 Euro, maximal jedoch zehn Prozent des durch die Prüfung geminderten Abrechnungsbetrags. Bislang mussten Kliniken bei einer nachgewiesenen Falschabrechnung nur den zu viel berechneten Betrag zurückzahlen und es mussten die Krankenkassen bezahlen, wenn eine von ihnen als falsch bewertete Abrechnung vom MD nicht beanstandet wurde.
  • Die Prüfung, ob ein Krankenhaus erforderliche strukturelle Voraussetzungen der Leis­tungserbringung erfüllt, wird nicht mehr im Einzelfall, sondern in sogenannten Strukturprüfungen vorgenommen.
  • Der bereits 2014 eingerichtete bundesweite Schlichtungsausschuss z. B zur Klärung strittiger Kodier- und Abrechnungsfragen arbeitet ineffektiv. Er wird nun verpflichtet, innerhalb von acht Wochen die Probleme zu lösen.
  • Der MDK hatte in der Vergangenheit Krankenhausrechnungen beanstandet, weil aus seiner Sicht eine ambulante Behandlung des Patienten möglich gewesen wäre. Die Spitzenverbände der Krankenhäuser, Krankenkassen und der Ärzte müssen deshalb bis zum 30. Juni 2021 einen Katalog für ambulante Operationen Eingriffe vereinbaren, damit nach Möglichkeit ambulant operiert wird.

Der MDK: Viel beschäftigt und viel kritisiert

In Deutschland gibt es 15 eigenständige MDK der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, die nach Bundesländern organisiert sind und eng miteinander kooperieren. Sie werden je zur Hälfte von den Krankenkassen und den Pflegekassen über eine Umlage finanziert. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) koordiniert die bundesweite Zusammenarbeit der MDK. Der MDK unterliegt der staatlichen Aufsicht (§ 281 Abs. 3 SGB V) und hat die Aufgabe, Stellungnahmen und Gutachten für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen zu erstellen. Von ihm hängt es z.B. ab, ob und wie die Pflegekasse zahlt. Er prüft die Versorgungs- und Pflegequalität in Pflegeeinrichtungen, stellt Pflegebedürftigkeit fest und kontrolliert Klinikrechnungen. Er soll sicherstellen, dass die Leistungen der Kranken- und der Pflegeversicherung nach objektiven medizinischen Kriterien allen Versicherten zu gleichen Bedingungen zugutekommen.

Nach eigenen Angaben schrieb der MDK 2018 über 8 Millionen Gutachten für Kranken- und Pflegeversicherung und vertritt damit über 70 Millionen Versicherte. Er ist mit seinen Experten, sozialmedizinische Expertengruppen und den „Kompetenz-Centren“ in viele Versorgungsfragen involviert und beteiligt an der Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitswesens. Die knapp zehntausend Beschäftigte sind zur Hälfte ärztliches Personal und pflegefachliche Gutachter. Die andere Hälfte teilen sich Assistenzpersonal für die Gutachten, Verwaltungsangestellte, Kodierkräfte und Angestellte aus den Heil- und Gesundheitsberufen.

Wird die MDK Reform wirken?

2020 ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Jahr der Pflegekräfte und Hebammen. Gesundheitsminister Jens Spahn hat in den letzten 20 Monaten in der Gesetzgebung ordentlich Tempo gemacht. Das MDK Reformgesetz ist nur ein Baustein, das den Pflegenotstand beheben und die Organisation im Gesundheitssektor verbessern soll.

Hauptziel des MDK Reformgesetzes von Gesundheitsminister Jens Spahn war es, den Medizinischen Dienst organisatorisch unabhängig von den Kassen zu machen und die Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern zu den Klinikabrechnungen einzugrenzen. Ein losgelöster MD soll transparent arbeiten, ein effektiver Schlichtungsausschuss auf Bundesebene Konflikte schneller lösen als bisher.

Lob für den Reformvorschlag kam von der Bundesärztekammer (BÄK). Die Neuaufstellung des Verwaltungsrates sei sachgerecht und werde unabhängigere medizinische Expertisen ermöglichen. Es sei auch richtig, Anreize für plausible Krankenhausabrechnungen vorzusehen und Abstand von der überbordenden Einzelfallprüfung zu nehmen.

Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) begrüßte die finalen Gesetzesänderungen. Demnach dürfen nun doch ehrenamtlich tätige Verwaltungsräte der Krankenkassen in die Medizinischen Dienste gewählt werden. Auch die Prüfquoten und Strafzahlen seien ein willkommener Impuls für korrekte Abrechnungen. Genau hier üben die Krankenhäuser mit ihrem Verband der Krankenhausdirektoren (VKD) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) harsche Kritik. Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft forderte z.B. im Januar die Rücknahme der Strafzahlungen, weil mehr als 50 Prozent der MDK-Prüfungen sich auf angeblich zu lange Verweildauern bezögen, die aber nur durch fehlende Anschlussversorgungsmöglichkeiten zustande kämen. Die Krankenhäuser würden unnötig drangsaliert und kriminalisiert. Der AOK-Bundesverband, meint, dass der MD weiterhin an die Kassen gebunden bleiben müsse, da sie Auftraggeber und Geldgeber seien – die Anbindung sei deshalb logisch und sinnvoll. Ferner ginge mit der Umbesetzung wichtiges Expertenwissen verloren. Das Reformgesetz setze die falschen Akzente.

Für die Verbraucherzentrale hingegen geht das Gesetz nicht weit genug: Es sollte eine echte Unabhängigkeit mit mehr Transparenz zu Arbeitsweise und Ergebnissen geschaffen werden. Die Krankenhäuser müssten sich sogar an den Kosten der Abrechnungskontrolle beteiligen und die Strafzahlungen seien zu zahm. Auch die Stimme der Verbraucher, Patienten und Pflegebedürftigen müssten mehr Gewicht bekommen als nun festgelegt.

Nach Ansicht des Sozialverbandes VdK werden die Krankenkassen mit der Reform großen Einfluss auf die Medizinischen Dienste behalten. Denn in den Verwaltungsräten können die Kassen deutlich mehr Vertreter stellen als die Patienten und Pflegebedürftigen. Neben der Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste sei auch die Qualität der Gutachten zentral für Pflegebedürftige und Patienten. Bislang würden jedoch manche Gutachten fachfremd oder rein nach Aktenlage erstellt. Der MD müsse daher mehr Ressourcen in die persönliche Begutachtung und weniger in Abrechnungsstreitigkeiten mit Krankenhäusern stecken.

Für Deutschlands Pflegeexperten reichen Spahns zahlreiche Gesetze zugunsten der Patientenversorgung in der Pflege nicht aus. Zu klein seien die Maßnahmen, um Wirkung zu zeigen. Seit 2017 ändern sich zwar allmählich die Strukturen, aber auf den Stationen sie die Misere geblieben, meint Pfleger Alexander Jorde. Es bleibt abzuwarten, wie schnell und effektiv die Gesetze und Initiativen nun ineinandergreifen.

Weitere Quellen

ist NGO erfahrene Kommunikationsexpertin mit Fokus Health Care / Medizin. Von 2007 – 2014 leitete sie die Kommunikation in der gefäßmedizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGA. Derzeit ist sie freiberuflich in Beratung und Text unterwegs. „New Work“ und digitale Strategien im Gesundheitswesen sind inhaltliche Interessen. Privat ist sie auf der Salsa Tanzfläche zu finden. Und wenn der Berg ruft, fährt sie Ski. Als klassisches Nordlicht liebt sie die frische Brise an der Nordsee.
mehr weniger
Weitere interessante Beiträge