Für Pflegepersonal ist die Arbeit jeden Tag wieder eine immense Herausforderung und oft mit großem Stress verbunden, der bis zum Burnout führen kann. Pflegende müssen sich im Berufsalltag ganz ähnlichen Anforderungen stellen wie z. B. ein Boxer in einem Wettkampf. In beiden Fällen ist es erforderlich, dass die Akteure auf lange Sicht körperlich fit und mental stark bleiben sowie mit Druck, Stress und Rückschlägen souverän umgehen können.
Die Entwicklung des Box-Coaching – meine persönliche Geschichte
Im Jahr 2010 begann ich im Alter von 29 Jahren in Hildesheim mit Fitness-Boxen. 2012 nahm ich dann bei der von Stefan Raab moderierten Sendung „TV Total Quizboxen“ teil.
In dieser Show traten jeweils zwei Kandidaten der gleichen Gewichtsklasse gegeneinander an und kämpften in fünf Runden gegeneinander. In jeder Runde wurde zunächst im Vollkontakt gegeneinander geboxt, im direkten Anschluss – ohne Pause – mussten Fragen beantwortet und andere Denksportaufgaben gelöst werden. Der Gewinner zog in die nächste Show ein, um den errungenen Sieg gegen den nächsten Kontrahenten zu verteidigen.
Die Teilnahme am Quizboxen war meine erste Berührung mit dem Wettkampfboxen (im wahrsten Sinne des Wortes). Am Ende aller Shows war ich der Einzige, der alle Kämpfe gewonnen hatte.
Durch das Boxen habe ich viele positive, wenn auch zum Teil schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Während dieser Zeit habe ich viel über Selbstmotivation und Selbstführung, Ziele, Grenzen und Erfolg wie auch den Umgang mit Stress, Druck und Rückschlägen gelernt.
Quizboxen: Grundstein für mein neues Box-Coaching-Konzept
Die Teilnahme am Quizboxen war eine einschneidende und äußerst wertvolle Erfahrung für mich. Die Zeit nach der Zusage bis zur letzten Show war eine riesengroße Herausforderung unter absolutem Dauerstress – physisch wie mental: Ich wollte perfekt sein und musste doch feststellen, dass es immer wieder Situationen gab, die mich zurückwarfen, mich (ver-) zweifeln ließen. Aber es gab auch Momente unermesslicher Euphorie und Begeisterung, insbesondere dann, als ich am Ende in meiner Gewichtsklasse Weltmeister im Quizboxen war.
Aus der Verbindung meiner Box-Erfahrungen mit meinem Wissen über Persönlichkeitsbildung habe ich meine Version des Box-Coachings entwickelt.
Das Box-Coaching besteht aus Fitness-Boxen, Sparring, Coaching und Reflexion sowie dem Transfer des erworbenen Wissens in den Alltag. Die Teilnehmer erleben Stress und Druck aus einer völlig anderen Perspektive, überwinden ihre mentalen Grenzen und erarbeiten gleichzeitig individuelle Lösungen für den souveränen Umgang mit Stress und Druck.
Box-Coaching zum Stressabbau für Pflegepersonal
Im Jahr 2017 erreicht mich der Anruf eines Ausbildungsinstituts, das unter anderem auch Pflegepersonal aus- und weiterbildet.
Gemeinsam haben wir das Pilotprojekt „Box-Coaching für das Pflegepersonal“ ins Leben gerufen.
Welchen Nutzen kann Pflegepersonal aus einem Box-Coaching ziehen?
Aus Interviews mit Pflegekräften ist mir klar geworden, dass der größte Stressor aus einer zu dünnen Personaldecke resultiert. Die Mitarbeiter geraten unter Stress, weil sie zu wenig Zeit für ihre Patienten haben und zu viele Überstunden anfallen. Auch fühlen sich viele Pflegende nicht ausreichend anerkannt – durch Vorgesetzte aber auch durch ihre Patienten.
Für das Pflegepersonal ist die Arbeit jeden Tag aufs Neue eine immense Herausforderung. Die Mitarbeiter im Pflegedienst arbeiten – meist im Schichtdienst – äußerst hart und hetzen von Patient zu Patient, von Termin zu Termin. Sie haben einen hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit und arbeiten tagtäglich daran, dass alles perfekt läuft. Doch dieser Perfektionismus führt oft dazu, dass sich Pflegekräfte zu viel zumuten.
Steht das Pflegepersonal über einen längeren Zeitraum permanent unter Stress, ohne dass sich an diesem Zustand etwas ändert, riskieren die Mitarbeiter den eigenen gesundheitlichen K.O. bis hin zum Burnout. Laut einer Erhebung der AOK kamen 2016 auf 1.000 AOK-Mitglieder in Berufen der Altenpflege durchschnittlich 260 Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burnout-Erkrankungen.
Bereits 2012 hatte der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse folgendes ergeben: Während in Deutschland abhängig Beschäftigte durchschnittlich 12 Tage im Jahr krank sind, fallen Menschen in Pflegeberufen im Schnitt 19 Tage aus. Bei AltenpflegerInnen kommen sogar mehr als 25 Tage pro Jahr zusammen.
Im Box-Coaching begeben Sie sich bewusst in ähnliche Stress-Situationen wie Sie sie in Ihrem beruflichen Alltag erleben. Aber wie kann Ihnen das beim Stressabbau helfen?
Fliehen – verharren – kämpfen
Unter Stress können Sie auf dreierlei Arten reagieren:
- fliehen (weglaufen)
- verharren
- kämpfen
Jede dieser Reaktionen hat ihre Berechtigung, weil sie alle ganz natürlich sind. In der Natur gibt es nichts Sinnloses!
Übertragen wir diese Erkenntnis nun auf das Boxen: Steigen Sie für einen Boxkampf ganz bewusst in den Ring, wissen Sie von Anfang an, dass Sie mit Stress, Druck und Rückschlägen rechnen müssen. Im Ring können Sie in gewisser Weise ebenfalls fliehen (ausweichen, zurücktreten), verharren (einfach stehenbleiben) oder kämpfen; also selbst aktiv werden und einen Angriff nach vorne starten. Wie sagen wir im Volksmund so schön: „Angriff ist die beste Verteidigung“.
Kommen wir wieder zurück in Ihren Alltag: Selbstverständlich haben Sie keinen echten Boxkampf mit einem realen Gegner auszufechten, der sie körperlich angreift. Ihr Gegner ist der Stress, der Sie permanent attackiert (mental schlägt) und gegen den Sie sich behaupten und letztendlich gewinnen müssen, um nicht K.O. zu gehen.
Fazit
Box-Coaching ist eine ganz neue Dienstleistung, die für Menschen in Berufen mit hohem Stresspotenzial, also insbesondere für Pflegende, konzipiert worden ist. Box-Coaching ist fordernd und anstrengend, weil Sie lernen, neue Wege beim Stressabbau zu gehen – nicht nur im Training, sondern auch im Beruf.
Treten auch Sie dem Berufsstress entgegen. Ziehen Sie Boxhandschuhe an!
Teil 1 der Serie: Stressabbau in der Pflege – durch Box-Coaching (Teil 2)
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