Reform der Pflegeausbildung: Wird jetzt alles besser?

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Seit Jahrzehnten besch�ftigt Deutschland die Reform der Pflegeausbildung. Vor allem in den letzten beiden Legislaturperioden wurden die Debatten um eine generalistische Pflegereform vorangetrieben und Modellprojekte ausgewertet. Nun ist die Reform in der Umsetzung.

Nach langem Marsch durch die Institutionen � das Reformgesetz der Pflegeberufe steht

In der Diskussion um die Reform stehen sich noch heute die Bef�rworter und Gegner mit ihren Interessenvertretern gegen�ber. Aber der entscheidende Schritt ist vollbracht: Das �Gesetz zur� Reform der Pflegeberufe� ist seit Juli 2017 beschlossene Sache. Die dazu geh�rige Ausbildungs- und Pr�fungsverordnung wurde im Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD am 28. Juni 2018 beschlossen. Im September 2018 hat der Bundesrat zugestimmt. Ein Referentenentwurf zur Ausbildungsfinanzierung kursiert seit Juni 2018. Die Pflegeschulen haben nun bis zum 1. Januar 2020 Zeit, sich darauf einzustellen.

Bislang wird die Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege getrennt ausgebildet.�Seit einigen Jahren haben immer mehr Bundesl�nder das Schulgeld erlassen � Derzeit ist z. B. die Altenpflegeausbildung an o?ffentlichen Schulen kostenfrei, an privaten Schulen wird noch in sechs Bundesla?ndern Schulgeld erhoben.

Im Zentrum der Reform steht die generalistische Ausbildung der Pflegeberufe, so wie in den meisten EU Staaten.

Die wichtigsten �nderungen der reformierten Pflegeausbildung

Inwieweit die generalistische Einheitsausbildung Fachwissen verflacht und wie man Generalisten und Spezialisten zugleich f�r eine moderne Pflegelandschaft ausbilden kann, wurde bis zuletzt intensiv diskutiert. Das urspr�nglich durchgehend generalistische Konzept ist daher einem Kompromiss gewichen. Dieser sieht eine mindestens zweij�hrige generalistische Ausbildung vor und eine m�gliche einj�hrige Spezialisierung in Kinderkranken- und Altenpflege. Die neuen Regelungen der Pflegeausbildung�gelten ab dem 1. Januar 2020:

  • Alle Auszubildenden lernen mindestens zwei Jahre lang gemeinsam und erhalten eine Grundausbildung. Im dritten Jahr k�nnen sie sich auf Altenpfleger oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger spezialisieren oder die generalistische Ausbildung fortf�hren. Diejenigen, die die generalistische Ausbildung im dritten Jahr fortsetzen, erwerben den Berufsabschluss �Pflegefachfrau� / �Pflegefachmann�.
    Mit dem generalistischen Abschluss stehen ihnen alle Arbeitsbereiche offen. Auszubildende, die ihren Schwerpunkt in der Altenpflege oder in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sehen, k�nnen einen gesonderten Abschluss in der Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwerben.
  • Die Ausbildungsfinanzierung soll durch ein Umlageverfahren neu geregelt werden: Krankenh�user und Pflegeeinrichtungen zahlen in sogenannte Ausgleichsfonds der Bundesl�nder ein. In geringerem Umfang beteiligen sich die L�nder sowie die soziale und private Pflegeversicherung.
    Aus den Fonds werden die Ausbildungskosten finanziert und entsprechende Mittel an die ausbildenden Krankenh�user, Pflegeheime und ambulanten Pflegedienste ausgezahlt. Auch die Pflegeschulen erhalten Geld aus diesem Topf.

Wovon profitieren die Pflegekr�fte?

  • Das Schulgeld wird endg�ltig �berall abgeschafft.
  • Es wird eine Ausbildungsverg�tung gezahlt, so wie in anderen Ausbildungsberufen.
  • Erg�nzend wird ein Pflegestudium eingef�hrt (Start 2020).
  • Die neue generalistische Pflegeausbildung wird �ber die�EU-Anerkennungsrichtlinie in anderen EU-Mitgliedstaaten automatisch anerkannt werden. Die gesonderten Abschl�sse k�nnen weiterhin �ber eine Einzelfallpr�fung in anderen EU-Staaten anerkannt werden.
  • Die Auszubildenden haben bessere berufliche Aufstiegschancen bis hin zum Pflegestudium.
  • In der durchg�ngig generalistischen Ausbildung kann man Schwerpunkte w�hlen und in allen Pflegebereichen sowie EU-weit arbeiten. Diese gr��ere Flexibilit�t kann Anreize f�r h�here L�hne schaffen.

Was verspricht sich die Politik von der Reform?

Die Reform der Pflegeausbildung will die Pflegeberufe zukunftsgerecht weiter entwickeln. Denn die Pflegefachkr�fte m�ssen besser auf die neuen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft vorbereitet werden. Die immer komplexer werdende Behandlung und Pflege zunehmend multimorbider Menschen ben�tigt vermehrt interdisziplin�r ausgebildete Pflegefachkr�fte. Auch soll die generalistische Ausbildung eine Antwort auf die zunehmende �berschneidung der pflegerischen Aufgaben in Krankenhaus und Altenheim sein.

Ferner erhofft man sich, dass die Pflegeberufe attraktiver werden, und sich damit mehr Menschen f�r diesen Beruf entscheiden: Hier sollen weitere Stellschrauben aus dem Koalitionsvertrag, z. B. verbindliche Personalschl�ssel oder das Anregen von fl�chendeckenden Tarifvertr�gen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern.

Hilft die Reform gegen den Pflegenotstand?

Dass die zuk�nftigen Fachpflegekr�fte vielf�ltigere Jobm�glichkeiten haben und finanziell in der Ausbildung besser dastehen werden, macht den Beruf gewiss attraktiver. Ob wesentlich mehr junge Menschen in naher Zukunft den Pflegeberuf w�hlen, wird sich zeigen. Ohne weitere Ma�nahmen wird man die gro�en Versorgungsl�cken aber wohl kaum schlie�en k�nnen.

Die Altenpflege aufwerten

Es gibt weiterhin unterschiedliche Abschl�sse und dadurch H�rden beim Wechsel.

Mit der neuen Ausbildung erhofft sich das Gesundheitsministerium auch einen Schritt hin zu einer besseren Bezahlung von Altenpflegefachkr�ften. Aber nun wird die Altenpflegeausbildung doch eigenst�ndig und mit einem niedrigeren Kompetenzniveau separat weitergef�hrt. Sachverst�ndige, Vertreter von Verb�nden sowie die Oppositionsparteien empfinden die Reform daher als Abwertung des Altenpflegeberufs. Es sei nicht richtig, dass in der Altenpflege die Anforderungen geringgehalten w�rden, um keine Bewerber mit niedrigen Schulabschl�ssen ausschlie�en zu m�ssen. Das sei angesichts immer komplexer werdenden Versorgungsaufgaben �lterer Menschen fatal und werte den Ausbildungsberuf zu einer Altenpflege �light� ab.

Stefan Sell, Sozialwissenschaftler und Pflegeexperte, sieht vor allem bei der Altenpflege kurzfristiges Potential, wenn die Arbeitsbedingungen entscheidend verbessert werden. Auch bei einem erheblichen Lohnzuwachs w�rden sich mehr Menschen f�r eine Ausbildung entscheiden. �Und wenn das Berufsbild endlich aufgewertet wird, dann steigt auch die Ausbildungsnachfrage.�

Die deutsche Pflegeausbildung im EU Vergleich: Gro�e Diskrepanz

Bereits seit der Europ�ischen Pflege Konferenz (Wien 1988) und den Empfehlungen der WHO (2000) ist die Verwissenschaftlichung in Form einer grundst�ndigen Hochschulausbildung von gro�er Bedeutung f�r die Pflegequalit�t. Pflege und Medizin sollen als Partner im Gesundheitswesen gleichberechtigt agieren. Deutschland ist bislang Schlusslicht in Europa bei dieser seit langem geforderten akademischen Pflegeausbildung.

Europaweit findet die Ausbildung in den Pflegeberufen �berwiegend mit Bachelorabschluss an Hochschulen, Fachhochschulen oder in der Sekundar-Stufe-II statt. Nur in Deutschland und Luxemburg bildet man ausschlie�lich in der Sekundar-Stufe-II aus. Das ist die Mindestvoraussetzung gem�� der EG-Richtlinie 2005/36 auf dem Niveau von 1977.

Die Kompetenzen der deutschen Pflegekr�fte scheinen deshalb deutlich begrenzter, obwohl neue T�tigkeiten in die Pflege integriert werden m�ssen. Dienste in der Notaufnahme, neue psychiatrische Aufgaben, Funktionsdiagnostik, Operationsdienste �bernehmen in vielen anderen L�ndern qualifizierte Pflegekr�fte zur Entlastung der �rzte und mit ihnen auf Augenh�he. Deshalb erhofft sich der Deutsche Berufsverband der Pflegeberufe seit langem von der Reform eine Qualit�tsoffensive im Einklang mit anderen EU L�ndern.

Laut Michael Isfort und anderer Experten ist das deutsche Pflegesystem im internationalen Vergleich nicht konkurrenzf�hig und wenig attraktiv.

Die Bezahlung und ihr Sozialprestige sind im europ�ischen Vergleich schlecht. Das gilt besonders f�r die Altenpflege.Um den belastenden Arbeitsbedingungen zu entgehen, arbeiten Pflegende in Teilzeit, geben den Beruf auf oder wandern in L�nder mit besseren Arbeits- und Entlohnungsbedingungen ab, z. B. nach Skandinavien, in die Benelux-Staaten, nach �sterreich oder Gro�britannien.

Pflege, die ankommt: Wie pflegt D�nemark?

In den �pflegerischen� Vorbildl�ndern wie Belgien, Niederlande oder� den skandinavischen L�ndern ist die Pflege l�ngst als eigenst�ndige Profession auf Augenh�he mit der Medizin angekommen. Pflege ist eine �ffentliche Aufgabe und wird aus Steuergeldern bezahlt. Die Kommunen organisieren die Pflege.

In D�nemark beginnt die Pflege niedrigschwellig: Ab 75 Jahren hat jeder B�rger einen Anspruch auf pr�ventive Hausbesuche. Dort schauen die Gemeinden schon vor der eigentlichen Pflegebed�rftigkeit nach ihren �Sch�tzlingen�. Pflegehelfer sorgen f�r menschliche N�he, f�hren ein sanftes Muskeltraining durch, helfen bei der K�rperpflege und der Medikamentensortierung. Der Patient soll so lange wie m�glich in seinem gewohnten zu Hause bleiben k�nnen. Der Pflegeberuf in D�nemark ist ein angesehener Beruf und hat auch Zulauf von ausl�ndischen Pflegekr�ften.


Bildnachweis: Robert Kneschke – stock.adobe.com

ist NGO erfahrene Kommunikationsexpertin mit Fokus Health Care / Medizin. Von 2007 � 2014 leitete sie die Kommunikation in der gef��medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGA. Derzeit ist sie freiberuflich in Beratung und Text unterwegs. �New Work� und digitale Strategien im Gesundheitswesen sind inhaltliche Interessen. Privat ist sie auf der Salsa Tanzfl�che zu finden. Und wenn der Berg ruft, f�hrt sie Ski. Als klassisches Nordlicht liebt sie die frische Brise an der Nordsee.
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