Die Selbstverwaltung der Pflegeberufe in Pflegeberufekammern

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Die Bundespflegekammer hat ihre Arbeit 2019 aufgenommen. Die Landeskammern sind die politische und fachliche Basis der Bundeskammer. Derzeit gibt es aber nur drei Landes Pflegeberufekammern, von denen sich Niedersachsen im Sommer 2021 abwickelt und Schleswig-Holstein um den Fortbestand abstimmt. Weitere Ländergründungen lassen auf sich warten.

In Deutschland gibt es Wirtschafts- und Berufskammern. Berufskammern nehmen die Interessen der Gesellschaft stellvertretend für den Staat wahr. Die Gründung ist wie bei anderen Kammern nur auf Länderebene möglich. Die Pflegeberufekammern gehörten zu den Heilberufekammern, wie z.B. die Ärzte- oder Psychotherapeutenkammern. Wenn eine Kammer gegründet wird, überträgt der Staat einen Teil seiner Regelungsaufgaben an die Berufsgruppe. Diese berufsständische Selbstverwaltung ist in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert.

Die Selbstverwaltung einzelner Berufsgruppen über Kammern ist seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein wichtiges Organisationsprinzip demokratischer Staaten und heute fest etabliert.

Warum gibt es Pflegeberufekammern?

Eine Pflegeberufekammer soll die beruflichen Belange der Pflegefachpersonen, die dort Mitglied sind fördern und dabei die Interessen der Bevölkerung wahren. In einer Pflegeberufekammer schließen sich alle Pflegefachpersonen eines Bundeslandes zusammen. Sie soll die sachgerechte, professionelle Pflege für die Bürgerinnen und Bürger entsprechend aktueller pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse sichern. Damit die Kammer alle Pflegefachpersonen vertreten kann und eine demokratische Meinungsbildung möglich ist, sind die Berufsangehörigen zur Mitgliedschaft verpflichtet und werden registriert.

Die wichtigsten Aufgaben einer Pflegeberufekammer

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) fasst zusammen:

  • Registrierung der Berufsangehörigen
  • Erlass einer Berufsordnung: regelt Aufgaben und Qualitätsstandards, sichert die Qualität (Fort- und Weiterbildungsordnung und lebenslanges Lernen)
  • Führung der Berufsaufsicht: Die Kammer beobachtet, ob die Berufspflichten eingehalten werden und kann überprüfen
  • Erhebung von Strukturdaten
  • Abnahme von Prüfungen und die Vergabe von Lizenzen und Zertifikaten
  • Beteiligung bei der Gesetzgebung

Neben der Kammertätigkeit in den Bundesländern vertreten Berufsverbände die Interessen der Pflegefachpersonen, z.B. zur Professionalisierung und zu den Rahmenbedingungen pflegerischer Arbeit. Gewerkschaften setzen sich für angemessene Gehälter und Arbeitsbedingungen ein. Die Kammern, Berufsverbände und Gewerkschaften haben Schnittmengen, z.B. die politische Vertretung, unterscheiden und ergänzen sich aber in ihren Aufgabenbereichen.

Die Gründung von Pflegeberufekammern in Deutschland, eine zähe Angelegenheit

Zurzeit gibt es drei Landes-Pflegeberufekammern. In Rheinland-Pfalz entstand vor fünf Jahren die erste. Schleswig-Holstein und Niedersachsen folgten. Doch kaum gegründet gibt es Korrosionsprozesse: Nach nur drei Jahren will der Landtag Niedersachsen die Kammer wieder auflösen, weil 70,6 Prozent der Befragten sich dafür ausgesprochen hatten. Allerdings war die Wahlbeteiligung unter 20 Prozent, so dass dies keine breite Mehrheit sei, meint der Professor für öffentliches Recht, Winfried Kluth, und fordert eine politische Korrektur. Auch in Schleswig-Holstein haben sich die Pflegefachpersonen mit großer Mehrheit (92 Prozent) gegen die Kammer ausgesprochen. Dort stößt z.B. der Pflichtbeitrag von durchschnittlich neun Euro pro Pflegefachperson auf vehementen Widerstand. Derzeit bleibt nur Rheinland-Pfalz mit einer funktionierenden Kammer übrig.

Die Stimmung zur Gründung in weiteren Bundesländern: Abwarten und Tee trinken

„Ready to go“ ist Nordrhein-Westfalen. Dort hat das Landeskabinett nach Befragungen die Errichtung der Pflegekammer beschlossen, sie soll 2022 an den Start gehen. In Baden-Württemberg schafft man gerade gesetzliche Grundlagen für eine Gründung.

In Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Sachsen stehen die Zeichen auf Abwarten. In Berlin hat man zwar seit 2015 ein positives Befragungsergebnis. Doch seitdem passiert nichts. In Bremen und im Saarland gibt es eine Arbeitskammer, in der Pflegefachpersonen bereits organsiert sind, was eine Kammergründung hemmt. Bayern hat sich für eine andere Organisationsform mit freiwilliger Mitgliedschaft entschieden. In Thüringen und Sachsen-Anhalt müssen repräsentative Befragungen durchgeführt werden. In Hamburg und Brandenburg steht das Signal auf „Nein“. So fassen die Landes Pflegekammer Rheinland-Pfalz und der BibliomedPflege die Entwicklungen zusammen.

Die Bundespflegekammer arbeitet seit 2019 – Aufbauarbeit für die Kammerarbeit in Bund und Ländern

Trotz schleppender Entwicklung in den Ländern, wurde die Bundespflegekammer 2019 als Bundesvertretung gegründet. Sie soll die Interessen von 1,4 Millionen Pflegefachpersonen im Bund vertreten und die Harmonisierung der Berufsordnungen steuern. Dazu entsenden die Landespflegekammern und der Deutsche Pflegerat je drei Mitglieder in das oberste Organ der Bundespflegekammer, der Pflegekammerkonferenz. Sie wählt das Präsidium und setzt Ausschüsse ein. Alle künftig noch entstehenden Landespflegekammern könnten an der Kammerkonferenz mitwirken. Finanziert wird die Bundespflegekammer, die als Verein funktioniert, über Mitgliedsbeiträge. Diese sind zurzeit eher bescheiden, da die Landeskammer Niedersachsen bereits wieder ausscheidet.

Besonders in der Gesundheits- und Pflegepolitik verspricht man sich mittelfristig eine starke politische Stimme der Bundespflegekammer. Auch will man in den Ländern Überzeugungsarbeit leisten und sie bei der Etablierung von Landeskammern unterstützen. Denn nur, wenn viele Pflegefachpersonen hinter der Kammerbewegung stehen, kann die politische Diskussion rund um den Pflegeberuf konsequent mitgestaltet werden, so Markus Mai, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer.

Wieviel Rückhalt hat die Bundespflegekammer?

Großteile der pflegepolitischen Sprecher der Bundestagsparteien befürworten klar die Kammerbewegung in der Pflege mit der Bundespflegekammer. AFD und Die Linke sprechen sich dagegen aus. Der DBfK kommuniziert detailliert zu den Aufgaben und dem Nutzen für die Pflege innerhalb einer Trias aus Pflegekammern, Gewerkschaften und Berufsverbänden.

Bundesgesundheits­minister Jens Spahn und der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, sind bereits seit langem für die Einrichtung von Pflegekammern in Deutschland. Die Pflegeberufe sollten sich in Kammern organisieren, ähnlich, wie es die Ärzte erfolgreich tun. Nur dann könne sich der Berufsstand Pflege gut organisieren, eine klare, deutliche Sprache sprechen und seine Interessen effektiv vertreten. Die Bundespflegekammer sollte dann im Gemeinsamen Bundesausschuss, der Gematik und anderen Selbstverwaltungsgremien sitzen und die Politik in allen pflegeberuflichen Fragen beraten, so Westerfellhaus.

Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) besteht derzeit aus dreizehn Mitgliedern. Die Pflege hatte bisher kein Stimmrecht. „Dass die Pflege als Vertretung der größten und zunehmend verkammerten Berufsgruppe im Gesundheitswesen in das Beschlussgremium aufgenommen wird, ist dringend erforderlich“, fordert Professor Heinrich Hanika (Professor für Rechtswissenschaften und Wirtschaftsrechts an mehreren Hochschulen).

Bedenken: Eine Bundespflegekammer ohne Landespflegekammern?

Ob die Gründung der Bundespflegekammer ohne eine funktionierende Landschaft aus Landepflegekammern sinnvoll ist, bezweifelt Professor Hanika. Es müssten weitere große Bundesländer folgen und ihre Arbeitsfähigkeit beweisen. Enttäuschend sei es, dass Bayern seine frühere eindeutige Positionierung wieder revidiert habe.

Viele sind sich einig, dass die Pflegefachpersonen ihre Interessen stark vertreten sollten. Es gibt auf dem Weg der Professionalisierung und des poitischen Gehörs für die Pflege aber noch viel Aufbauarbeit zu tun. Denn „geschätzt ist nur gut jeder Zehnte Gewerkschaftsmitglied. Ihre Berufsverbände sind so zersplittert, dass sie an die Parteienlandschaft im italienischen Parlament erinnern, leider auch in ihrer Wirksamkeit. Der Konflikt um die Pflegekammern fügt all dem nur einen weiteren Tiefpunkt hinzu“, schreibt Charlotte Parnack im Februar 2021 in der ZEIT.


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ist NGO erfahrene Kommunikationsexpertin mit Fokus Health Care / Medizin. Von 2007 – 2014 leitete sie die Kommunikation in der gefäßmedizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGA. Derzeit ist sie freiberuflich in Beratung und Text unterwegs. „New Work“ und digitale Strategien im Gesundheitswesen sind inhaltliche Interessen. Privat ist sie auf der Salsa Tanzfläche zu finden. Und wenn der Berg ruft, fährt sie Ski. Als klassisches Nordlicht liebt sie die frische Brise an der Nordsee.
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