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Expertenstandard Kontinenzförderung in der Pflege

Inhaltsverzeichnis

Kontinenz fördern und Inkontinenz vermeiden – Der aktualisierte Expertenstandard ist da!

Nach 7 Jahren hat das Deutsche Netzwerk Qualitätsförderung in der Pflege, kurz: DNQP, den Expertenstandard zur Kontinenzförderung in der Pflege erneut aktualisiert. Seit dem 12. April liegt der „Expertenstandard Kontinenzförderung in der Pflege“, Aktualisierung 2024, vor.

Was ist neu an der Aktualisierung?

Aufmerksamen Leser*innen wird die umfassendste Änderung bereits anhand des Titels aufgefallen sein:

Der Expertenstandard heißt nun „Kontinenzförderung in der Pflege“ und nicht mehr „Expertenstandard – Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“. Das Wegfallen des Wortes „Harn“ weist bereits auf die entscheidende Änderung der Aktualisierung hin: die Erweiterung um das Thema Stuhlinkontinenz.

Welche Ziele hat der Expertenstandard Kontinenzförderung in der Pflege?

Harn- und Stuhlinkontinenz kann Menschen in jedem Alter betreffen. Sie kann den Alltag stark einschränken und die Lebensqualität deutlich verschlechtern, zum Beispiel wenn Betroffene sich aus Scham sozial zurückziehen.

Häufig sprechen Menschen, die von einer Inkontinenz betroffen sind, nicht über ihre Probleme, selbst wenn sie Unterstützung beim Umgang mit ihrer Inkontinenz benötigen könnten. Gründe dafür können Scham und Angst vor Stigmatisierung sein.

Es ist daher auch eine Aufgabe von Pflegefachpersonen, eine mögliche Urin- beziehungsweise Stuhlinkontinenz rechtzeitig zu erkennen, um betroffene Menschen dabei zu unterstützen, ihre Kontinenz zu erhalten und Maßnahmen einzuleiten, um Kontinenzprobleme zu beseitigen, zu lindern oder zu kompensieren (DQNP 2024: 9).

Dazu definiert der Expertenstandard folgende Ziele:

  • Menschen, die ein Inkontinenzrisiko haben oder von einer Inkontinenz betroffen sind, erkennen
  • die Kontinenz erhalten und fördern
  • Maßnahmen festlegen, die der individuellen Inkontinenzproblematik entsprechen
  • eine bestehende Inkontinenz reduzieren, beseitigen oder kompensieren

(DNQP 2024: 9)

Welche Bedeutung hat der Expertenstandard für die Pflegepraxis?

Expertenstandards wirken. Sie spiegeln den allgemein anerkannten, aktuellen Stand der Pflegeforschung, aber auch pflegepraktische Erfahrungen wider (MD 2020) und zeigen durch Handlungsempfehlungen Wege auf, wie dieses Wissen in die Praxis umgesetzt werden kann. Damit fördern Expertenstandards auch die Kompetenzen der beruflich Pflegenden.

Der Expertenstandard Kontinenzförderung in der Pflege ist ein wichtiger Leitfaden für die professionelle Pflegepraxis. Er bietet klare Richtlinien und Handlungsempfehlungen, um die Kontinenz zu fördern und Inkontinenz zu vermeiden.

Beachten beruflich Pflegende diese Handlungsempfehlungen, können sie die Lebensqualität von Menschen mit einer Inkontinenz verbessern und kostenintensive Komplikationen reduzieren, und damit auch zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen.

Expertenstandards dienen aber auch der Sicherung und der Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege (GKV 2024), denn sie nennen klare Kriterien zur Erfolgskontrolle von pflegerischen Maßnahmen. Damit setzen sie auch einen Maßstab für eine qualitativ hochwertige Pflege.

Gibt es ein Beispiel, was solche Handlungsempfehlungen ganz konkret für die Praxis bedeuten können?

Die Kontinenzprofile sind ein gutes Beispiel dafür, was der Expertenstandard für die Pflegepraxis bedeutet. Sie wurden bereits für die 1. Auflage des „Expertenstandards Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“ von der Expert*innengruppe entwickelt und für die 2. Aktualisierung um die die Kontinenzprofile zur Stuhlinkontinenz ergänzt.

Mithilfe eines Kontinenzprofils können Pflegefachpersonen ganz konkret die Kontinenzsituation einer Person mit Pflegebedarf erfassen und daraus den individuellen Unterstützungsbedarf, sowohl an materieller als auch an personeller Unterstützung, ableiten.

Zur Feststellung des Kontinenzprofils werden 3 Aspekte bewertet:

  • Ist die betroffene Person kontinent oder inkontinent?
  • Gibt es bereits Maßnahmen, die die betroffene Person ergriffen hat, um die Kontinenz zu erhalten oder eine Inkontinenz zu kompensieren?
  • Kann die betroffene Person diese Maßnahmen selbstständig durchführen beziehungsweise Hilfsmittel oder Medikamente selbst besorgen oder benötigt sie Unterstützung?

Daraus werden folgende Kontinenzprofile abgeleitet:

Die betroffene Person ist kontinent.

Oder ist sie unabhängig kontinent? Das heißt, sie hat zwar ein Kontinenzproblem, ist aber selbstständig in der Lage, geeignete Maßnahmen durchzuführen, damit es nicht zu einem unwillkürlichen Harn- oder Stuhlverlust kommt, indem sie beispielsweise selbstständig eine mobile Toilettenhilfe verwendet. Oder benötigt sie dabei personelle Unterstützung und ist daher abhängig kontinent?

Vielleicht kommt es bei der Person aber auch zu einem unwillkürlichen Harn- oder Stuhlverlust und sie benötigt Inkontinenzhilfsmittel? Kann die Person diese Hilfsmittel ohne Unterstützung anwenden, ist sie unabhängig kompensiert inkontinent. Benötigt sie bei der Anwendung personelle Unterstützung, liegt bei ihr das Profil einer abhängig kompensierten Inkontinenz vor.

Das letzte Profil, die nicht kompensierte Inkontinenz, trifft auf Personen mit einer Harn- und/oder Stuhlinkontinenz zu, die aber weder personelle noch materielle Unterstützung in Anspruch nehmen, weil sie zum Beispiel nicht über ihre Inkontinenz sprechen möchten.

Anhand des Kontinenzprofils kann ein Pflegeziel festgelegt werden, z. B. das Erreichen des nächsthöheren Kontinenzprofils, und es können die zur Erreichung dieses Ziels notwendigen Maßnahmen abgeleitet werden. Somit ist das Kontinenzprofil in allen Schritten des Pflegeprozesses anwendbar.

Sind Expertenstandards für die Pflege bindend?

Für Krankenhäuser regelt das Sozialgesetzbuch V, dass „die Leistungserbringer zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet [sind]. Die Leistungen müssen dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden“ (§ 135a Abs. 1 SGB V).

Und auch ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen „pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen […] entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse“ (§ 11 Abs. 1 SGB XI).

Die Pflegedienstleitung und die Einrichtungsleitung übernehmen bei der Umsetzung der Expertenstandards die so genannte Organisationsverantwortung und damit die Verantwortung dafür, dass die Inhalte des Expertenstandards korrekt umgesetzt werden (Schmidt 2020: Kap. 1.2.1).

Den Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege“ durch E-Learning vermitteln

Ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Expertenstandards in die Pflegepraxis ist die praxisnahe Vermittlung der Inhalte.

Relias bietet ab Juni den E-Learning-Kurs „Expertenstandard Kontinenzförderung – Einführung“ auf Grundlage des neuen Expertenstandards in der Kursbibliothek an.

Auch an den aktualisierten Kursen zum Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege“ haben wir mit einer Fachexpertin aus der Arbeitsgruppe des DNQP, Professorin Dr. Daniela Hayder-Beichel, zusammengearbeitet. Sie ist Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin und als Professorin im Studiengang Pflege der Hochschule Niederrhein tätig. Seit 2005 ist sie an der Erarbeitung der Expertenstandards beteiligt, anfangs als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Expertenstandard „Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“, den sie auch in der ersten Aktualisierung begleitete. 2022/23 hatte sie das Amt der wissenschaftlichen Leitung inne. In der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft leitet sie die Sektion Pflegephänomene, mit der AG Inkontinenz und ist Mitglied der Deutschen Kontinenz Gesellschaft.

Und wie geht es weiter?

Ergänzend zu dem Einführungskurs wird es ab Herbst 2024 einrichtungsbezogene Kurse geben, die die unterschiedlichen Situationen in Krankenhäusern, stationären Pflegeeinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten berücksichtigen und Lernenden ein fallbezogenes, exemplarisches Lernen ermöglichen.

Quellennachweise

DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualität in der Pflege (2024): Expertenstandard Kontinenzförderung in der Pflege – Aktualisierung 2024, Osnabrück, Deutschland: DNQP.

GKV – Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (2024): Expertenstandards nach § 113a SBG XI (online, zuletzt abgerufen am 16.05.2024).

MD – Medizinischer Dienst-Bund (2020): Expertenstandards nach § 113a, SGB XI [online, zuletzt abgerufen am 16.05.2024].

Schmidt, S. (2020): Expertenstandards in der Pflege – eine Gebrauchsanleitung, 4. Aufl., Heidelberg, Berlin, Deutschland: Springer-Verlag [E-Book].

SGB – Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung –,das zuletzt durch Artikel 33 u. Artikel 35 Absatz 10 des Gesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 108) geändert worden ist [online , zuletzt abgerufen am 16.05.2024].

SGB – Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung –, das zuletzt durch Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 10 des Gesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 108) geändert worden ist [online, zuletzt abgerufen am 16.05.2024].

war als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin vorwiegend auf der interdisziplinären Intensivstation tätig. Sie hat einen Master in Public Health von der University of Liverpool und gehört seit März 2022 als Fachautorin für interaktive E-Learning-Kurse zum Relias-Team.
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