Warum Mobilität in der Pflege zentral ist
Mobilität ist mehr als Bewegung. Sie ist Ausdruck von Selbstständigkeit, Lebensqualität und Würde. Der vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) bearbeitete Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Mobilität“ (1. Aktualisierung 2020) rückt diese Bedeutung in den Mittelpunkt.
Ziel des Standards ist, pflegerische Maßnahmen so zu gestalten, dass sie die Beweglichkeit von pflegebedürftigen Menschen erhalten oder verbessern, unabhängig vom Setting.
Mobilität umfasst laut Definition die Eigenbewegung des Menschen, also die Fähigkeit, die Körperlage zu verändern oder sich fortzubewegen – im Liegen, Sitzen, beim Aufstehen, Umsetzen, Gehen oder Treppensteigen. Damit berührt der Standard nahezu alle pflegerischen Handlungsfelder und wirkt in viele andere Expertenstandards hinein, etwa zur Sturzprophylaxe, Dekubitusprophylaxe oder Schmerzmanagement.
Ziele und Schwerpunkte des Expertenstandards
Der Expertenstandard stellt stärker als zuvor die Ressourcenorientierung, Selbstbestimmung und partizipative Zielvereinbarung in den Mittelpunkt. Pflegefachpersonen sollen nicht nur Risiken erkennen, sondern vor allem die individuellen Fähigkeiten zur Bewegung aktiv fördern. Dazu gehört, Gewohnheiten und Umfeldbedingungen regelmäßig zu prüfen und gemeinsam mit Betroffenen und Angehörigen Mobilitätsziele auszuhandeln und zu dokumentieren.
Außerdem fokussiert er die …
- interprofessionelle Zusammenarbeit (wie mit Physio- und Ergotherapie),
- standardisierte Dokumentation des Mobilitätsstatus,
- die Verknüpfung mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff im Begutachtungsinstrument (NBA) sowie
- ethische Aspekte, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung und den Verzicht auf Mobilitätsförderung, falls es dem Willen der pflegebedürftigen Person entspricht.
Pflegefachliche Verantwortung: Bewegung erhalten, Risiken minimieren
Bewegungseinschränkungen, ob krankheitsbedingt (intrinsisch) oder durch äußere Umstände (extrinsisch) wie Fixierungen, bergen erhebliche Risiken.
Daher gilt: Jede Pflegehandlung sollte Mobilität fördern, um Folgeprobleme zu vermeiden, etwa durch:
- Dekubitusprophylaxe
- Kontrakturenprophylaxe
- Sturz- und Thromboseprophylaxe
- Pneumonieprophylaxe
- Osteoporoseprophylaxe
Eine Pflege, die Mobilität aktiv unterstützt, trägt entscheidend zur Prävention von Immobilität, Isolation und Bettlägerigkeit bei. Gerade im Umgang mit chronischen Erkrankungen können ein gezieltes Training oder kleine Bewegungsanreize den Fortschritt verlangsamen und Lebensfreude zurückgeben.
Mobilität einschätzen und dokumentieren
Der Expertenstandard beschreibt, wie Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (Kriterien S1–S4, P1–P4, E1) in der Pflegepraxis umgesetzt werden:
Qualitätsebene | Beschreibung |
Strukturqualität (S1–S4) | benötigte personelle, räumliche und materielle Ressourcen; Fachwissen, Assessments, Umgebungsgestaltung |
Prozessqualität (P1–P4) | systematische Einschätzung, Planung, Durchführung, Evaluation mobilitätsfördernder Maßnahmen |
Ergebnisqualität (E1) | Nachweis über erhaltene oder verbesserte Mobilität, Lebensqualität |
Pflegefachpersonen sollen geeignete Einschätzungsinstrumente nutzen, um Mobilität systematisch zu erfassen. Zwar nennt der Standard keine bestimmten Assessments, betont aber die Bedeutung einer einheitlichen Fachsprache und einer nachvollziehbaren Dokumentation.
Beispiel für eine Mobilitätseinschätzung:
„Frau M. konnte vor acht Wochen mit dem Rollator sicher gehen. Seit zwei Wochen benötigt sie Begleitung, da sie über Schwindel klagt.“
Eine präzise, beschreibende Dokumentation macht Entwicklungen sichtbar und bildet die Grundlage für pflegerische Entscheidungen.
Praxisbeispiele: Förderung der Mobilität im Alltag
In der Pflegepraxis zeigt sich täglich, dass Mobilität viele Dimensionen hat:
Pflegefachpersonen fördern Mobilität, indem sie Transfers aktiv begleiten (Aufstehen, Umsetzen, Positionswechsel), das Umfeld mobilitätsfördernd gestalten (Beleuchtung, Sitzhöhen, Haltegriffe) und Alltagsaktivitäten zur Bewegungsförderung nutzen. Sie führen motivierende Gespräche mit den betroffenen und begleiteten Menschen und tragen dazu bei, Ängste abzubauen.
Der Expertenstandard betont die Bedeutung setting-spezifischer Anpassungen:
- Stationäre Pflege: Fokus auf Bewegungsanreize im Alltag und Umfeldgestaltung
- Ambulante Pflege: Zusammenarbeit mit Angehörigen, häusliche Barrierefreiheit
- Kurzzeitpflege/Reha: gezielte Trainingsangebote und Therapiebegleitung
Die Bewertung der Mobilität orientiert sich am Neuen Begutachtungsassessment (NBA). Pflegefachpersonen sollten den Grad der Selbstständigkeit der Menschen für folgende Bereiche dokumentieren:
- Lagewechsel im Liegen
- Sitzposition halten
- Transfer (Aufstehen, Umsetzen)
- Fortbewegung über kurze Strecken
- Treppensteigen
Diese Einschätzungen bilden die Grundlage für individuelle Förderziele.
Strukturqualität: Rahmenbedingungen für Bewegung schaffen
Unter Punkt S4 betont der Expertenstandard die Notwendigkeit, materielle und räumliche Ressourcen für mobilitätsfördernde Maßnahmen bereitzustellen.
Dazu gehören geeignete Hilfsmittel (wie Rollatoren, Aufstehhilfen, Anti-Rutsch-Matten), Umfeldanpassungen (Niedrigflurbetten, gute Beleuchtung, ausreichender Platz) und Schulungen für Pflegeteams (Kinästhetics, Fallbesprechungen).
Eine reflektierte Nutzung von Hilfsmitteln ist entscheidend: Rollstühle sollten der Fortbewegung dienen, nicht als Sitzmöbel. Die Förderung auch kleinster Bewegungen, etwa das „Tippeln“ mit den Füßen, erhält Mobilitätsressourcen langfristig.
Mobilität als Indikator für Pflegequalität
Ein geringer Anteil bettlägeriger oder ortsfixierter Menschen gilt als positiver Qualitätsindikator. Mobilitätsförderung ist somit nicht nur pflegeethisch, sondern auch qualitätssichernd bedeutsam.
Pflegefachpersonen leisten hier einen wesentlichen Beitrag, indem sie Bewegungsförderung als Teil jeder Pflegehandlung verstehen und dokumentieren.
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Der Kurs vermittelt:
- Grundlagen und Zielsetzungen des DNQP-Standards
- praxisnahe Strategien zur Mobilitätsförderung
- Umgang mit Assessments und Dokumentation
- Beispiele aus der Pflegepraxis und interaktive Lernmodule
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Auszug aus dem Relias E-Learning-Kurs „Expertenstandard Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege“
Quellenverzeichnis
BQS Institut (2024): Begleitforschung zum aktualisierten Expertenstandard-Entwurf nach § 113a SGB XI „Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege“ (ExMo) – Abschlussbericht, Hamburg (online, aufgerufen am 22.10.2025).
DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2020a): Der Expertenstandard Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege, 1. Aktualisierung 2020, Universität Osnabrück.
DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2020b): Expertenstandard nach § 113a SGB XI „Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege“, Aktualisierung 2020 – Abschlussbericht, Universität Osnabrück (online, aufgerufen am 22.10.2025).
Püttjer, A./Rath, R. (2021): REL-DE-0-26263-V2 Expertenstandard – Kurs Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege [Relias-Kurs].
Schmidt, S. (2024): Expertenstandards in der Pflege – eine Gebrauchsanleitung, 5. Auflage, Springer Berlin Heidelberg.
Häufige Fragen zum Expertenstandard Mobilität
Was ist das Ziel des Expertenstandards Mobilität?
Der Standard soll sicherstellen, dass pflegebedürftige Menschen individuelle Unterstützung zur Erhaltung oder Förderung ihrer Beweglichkeit erhalten.
Welche Änderungen brachte die Aktualisierung 2020?
Die aktualisierte Fassung betont Ressourcenorientierung, interprofessionelle Zusammenarbeit, ethische Aspekte und standardisierte Dokumentation.
Wie können Pflegefachpersonen Mobilität fördern?
Mit gezielten Bewegungsanreizen im Alltag, Umgebungsgestaltung, Motivation, Einbezug von Angehörigen und fachgerechtem Einsatz von Hilfsmitteln wird Mobilität gefördert.
Welche Rolle spielt Dokumentation?
Eine nachvollziehbare Beschreibung des Mobilitätsstatus zeigt Erfolge und begründet pflegerische Maßnahmen. Sie ist Basis professioneller Pflegequalität.
