Schmerzen gehören zu den häufigsten Symptomen in der pflegerischen Praxis. Laut einer Befragung von Statista (2021) hatte mehr als die Hälfte der Deutschen innerhalb eines Jahres Schmerzen, am häufigsten Kopf-, Rücken- oder Gelenkschmerzen. Nur 40 Prozent gaben an, im vergangenen Jahr völlig schmerzfrei gewesen zu sein. Diese Zahlen verdeutlichen, wie groß die Bedeutung eines professionellen Schmerzmanagements in der Pflege ist.
Doch Schmerz ist weit mehr als ein körperliches Warnsignal. Chronische Schmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität massiv. Sie führen zu Schlafstörungen, sozialem Rückzug und Isolation. Menschen mit chronischen Schmerzen sind laut Wörz et al. (2019) viermal häufiger von Angst- oder depressiven Störungen betroffen als Schmerzfreie. Pflegefachpersonen nehmen eine Schlüsselrolle ein. Sie begleiten Betroffene im Alltag, erkennen Veränderungen frühzeitig und sorgen auf Grundlage des Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege für eine individuelle Schmerzversorgung.
Der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege
Seit Sommer 2020 gilt der aktualisierte Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege des Deutschen Netzwerks für Qualität in der Pflege (DNQP). Er ersetzt die bisherigen Standards für akute und chronische Schmerzen und führt sie in einem einheitlichen, modernen Konzept zusammen. Ziel ist, dass jede Person mit akuten, chronischen oder zu erwartenden Schmerzen ein individuell angepasstes, wirksames Schmerzmanagement erhält (DNQP, 2020).
Der Standard hat das Ziel, die Entstehung und Chronifizierung von Schmerzen zu vermeiden, Schmerzen zu lindern und Lebensqualität sowie Funktionsfähigkeit zu erhalten. Pflegefachpersonen sollen Schmerzen frühzeitig erkennen, bewerten und gezielt Maßnahmen planen. Der Fokus liegt dabei nicht auf abstrakten Messwerten, sondern auf einer ganzheitlichen, individuellen Betrachtung des Schmerzgeschehens.
Ein Perspektivwechsel in der Pflege
Ein zentraler Aspekt des Expertenstandards Schmerzmanagement ist das bio-psycho-soziale Modell. Es beschreibt Schmerz als Zusammenspiel körperlicher, seelischer und sozialer Faktoren. Dieses Verständnis ersetzt das frühere, rein somatische Modell, bei dem Schmerz vor allem als körperliches Symptom galt. Heute ist wissenschaftlich belegt, dass Emotionen, Stress, Einsamkeit oder Überforderung Schmerzempfinden deutlich beeinflussen können. Pflegefachpersonen berücksichtigen diese Zusammenhänge, um Betroffenen ganzheitlich zu helfen – mit Empathie, Gesprächsführung und gezielter Beobachtung.
Die Aufgabe der Pflege liegt somit nicht nur in der Durchführung ärztlich verordneter Maßnahmen, sondern auch in der kontinuierlichen Begleitung, Schulung und Beratung von Betroffenen und Angehörigen. So entsteht ein interaktives, therapeutisches Zusammenspiel zwischen Fachwissen und Zuwendung.
Akute und chronische Schmerzen unterscheiden
Der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege unterscheidet klar zwischen akutem, chronischem und prozeduralem Schmerz. Akuter Schmerz ist eine normale physiologische Reaktion auf Gewebeschädigungen, etwa nach Operationen, Verbrennungen oder Verletzungen. Chronischer Schmerz hingegen bleibt bestehen oder tritt über mindestens drei Monate wiederkehrend auf. Er verliert seine Warnfunktion und entwickelt sich zu einer eigenständigen Erkrankung, die mit erheblichen psychischen Belastungen einhergehen kann.
Häufig treten akute und chronische Schmerzen gleichzeitig auf, etwa wenn Patient*innen mit lang bestehenden Gelenkschmerzen zusätzlich eine frische Verletzung erleiden. In solchen Fällen sind pflegerische Fachkenntnisse entscheidend, um Ursachen zu differenzieren und Behandlungsprioritäten richtig zu setzen.
Stabile und instabile Schmerzsituationen erkennen
Der Standard beschreibt zwei wesentliche Zustände: die stabile und die instabile Schmerzsituation. Eine stabile Situation liegt vor, wenn Betroffene ihre Schmerzen als akzeptabel empfinden und Alltagsaktivitäten bewältigen können. Instabil ist die Situation, wenn Schmerzen als unerträglich erlebt werden, die Beweglichkeit eingeschränkt ist oder Komplikationen in der Therapie auftreten.
Für Pflegefachpersonen bedeutet das: Sie müssen Veränderungen im Schmerzerleben kontinuierlich beobachten, dokumentieren und interdisziplinär kommunizieren. Nur so lassen sich Maßnahmen gezielt anpassen und Eskalationen vermeiden.
Schmerzassessment in der Pflege
Das pflegerische Schmerzassessment beginnt mit einem Screening. Dabei wird aktiv nach Schmerzen gefragt und das Verhalten der Betroffenen beobachtet. Wird Schmerz festgestellt, folgt ein differenziertes Assessment. Es umfasst die Lokalisation, Intensität, Qualität, Dauer, auslösende und lindernde Faktoren sowie Auswirkungen auf Alltag und Stimmung.
Zur Einschätzung können Pflegekräfte standardisierte Schmerzskalen nutzen. Die numerische Ratingskala (NRS), die visuelle Analogskala (VAS) oder die verbale Ratingskala (VRS) sind gängige Methoden der Selbsteinschätzung. Für Menschen mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit empfiehlt der Expertenstandard Schmerzmanagement Fremdeinschätzungsinstrumente wie das Critical-Care Pain Observational Tool (CPOT) oder die Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD). Entscheidend bleibt: Die Selbsteinschätzung hat Vorrang, die Skalen sind keine festen Grenzwerte, ab denen zwingend gehandelt werden muss, sondern Orientierungshilfen.
Interprofessionelles Schmerzmanagement in der Praxis
Schmerzmanagement ist Teamarbeit. Ärzt*innen verordnen medikamentöse Therapien, Pflegekräfte beobachten deren Wirkung, dokumentieren Nebenwirkungen und ergänzen nicht-medikamentöse Maßnahmen. Dazu gehören Lagerung, Wärmeanwendungen, Entspannungsverfahren oder Gespräche über Ängste und Erwartungen. Gerade bei chronischen Schmerzen zeigt sich, dass psychologische und soziale Unterstützung oft ebenso wichtig ist wie die Medikation. Pflegekräfte übernehmen hier eine koordinierende und vermittelnde Rolle, die den Erfolg der Behandlung maßgeblich beeinflusst.
Qualitätssicherung und rechtlicher Rahmen
Auch wenn der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege keine gesetzliche Vorschrift ist, gilt er als fachlicher Maßstab und Qualitätsreferenz. Nach § 11 SGB XI müssen Pflegeeinrichtungen nach dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse arbeiten. Dieser wird durch die DNQP-Standards definiert. Der Medizinische Dienst orientiert sich bei Prüfungen regelmäßig an diesen Vorgaben. Einrichtungen, die den Standard implementieren, verbessern nicht nur ihre Versorgungsqualität, sondern sichern auch ihre rechtliche Position.
Ein Praxisprojekt des DNQP (2022) zeigt, dass die Implementierung in vielen Einrichtungen erfolgreich verläuft, aber intensive Schulung und regelmäßige Evaluation erfordert. Besonders die Dokumentation und die interdisziplinäre Kommunikation gelten als entscheidende Erfolgsfaktoren. Schulungen fördern das Bewusstsein für die eigene Rolle im Schmerzmanagement und unterstützen eine nachhaltige Umsetzung.
Digitalisierung und barrierefreie Lernformate
Digitale Dokumentationssysteme erleichtern die Umsetzung des Schmerzmanagements erheblich. Elektronische Checklisten und strukturierte Eingabemasken helfen, Assessments konsistent zu erfassen und Entwicklungen im Verlauf sichtbar zu machen.
Relias setzt zusätzlich auf barrierefreie E-Learning-Kurse. Seit 2020 werden alle Kurse nach WCAG-Richtlinien erstellt: Inhalte sind per Screenreader lesbar, Tastaturnavigation ist möglich, Untertitel und Audiodeskriptionen unterstützen Lernende mit Einschränkungen. So wird Inklusion auch im digitalen Lernen gelebte Praxis.
Wie kann Relias Ihnen dabei helfen
Der Relias E-Learning-Kurs Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege vermittelt interaktiv, praxisnah und wissenschaftlich fundiert den gesamten Pflegeprozess des Schmerzmanagements. Die Teilnehmenden lernen, Schmerzen systematisch zu erkennen, einzuschätzen und geeignete Maßnahmen zu planen. Sie üben, die Ergebnisse zu dokumentieren, zu reflektieren und im interdisziplinären Team zu kommunizieren.
Im Kurs wird vermittelt, wie Pflegefachpersonen ein pflegerisches Schmerzassessment durchführen, Schmerzsituationen bewerten und sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Strategien sicher anwenden. Darüber hinaus erwerben sie Kompetenzen im Umgang mit stabilen und instabilen Schmerzsituationen sowie in der Beratung und Schulung von Betroffenen und Angehörigen.
Durch interaktive Elemente, praxisnahe Entscheidungssituationen und Feedbackschleifen festigen die Lernenden ihr Wissen und übertragen es gezielt auf den Pflegealltag. Der Kurs orientiert sich vollständig am Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege und unterstützt Pflegekräfte dabei, die theoretischen Anforderungen in praktische Handlungssicherheit zu übersetzen.
Lernziele
Nachdem Sie diesen Kurs abgeschlossen haben, sollten Sie Folgendes können:
- eine systematische und zielgruppenspezifische Einschätzung der Schmerzsituation und Verlaufskontrolle durchführen.
- im interdisziplinären Team einen Behandlungsplan entwickeln, der sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Schmerzlinderung beinhaltet.
- wichtige Themen benennen, zu denen Menschen mit Schmerz und deren Angehörige beraten werden sollten.
- eine fachgerechte Schmerzbehandlung laut Behandlungsplan durchführen.
- die Schmerzbehandlung evaluieren und entscheiden, wann diese angepasst werden muss.
Besonderheiten des Kurses
Der Kurs zum Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege zeichnet sich durch eine praxisnahe, interaktive und zugleich wissenschaftlich fundierte Lernstruktur aus. Das Lernkonzept verbindet theoretisches Wissen mit konkreten Anwendungssituationen aus dem Pflegealltag. Die Inhalte orientieren sich vollständig am DNQP-Standard und werden so aufbereitet, dass Pflegefachpersonen sie unmittelbar in ihre tägliche Arbeit übertragen können.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung pflegerischer Handlungskompetenz. Die Teilnehmenden lernen, Schmerzsituationen differenziert einzuschätzen, geeignete Maßnahmen zu planen und die Wirksamkeit fortlaufend zu überprüfen. Der Kurs vermittelt Sicherheit im Umgang mit Schmerzskalen, unterstützt bei der Interpretation von Selbsteinschätzungen und zeigt, wie Pflegekräfte mit Betroffenen gemeinsam ein akzeptables Schmerzniveau definieren.
Darüber hinaus werden kommunikative und interprofessionelle Fähigkeiten gestärkt. Lernende erfahren, wie sie mit Ärzt*innen, Therapeut*innen und Angehörigen gezielt zusammenarbeiten, um ein ganzheitliches Schmerzmanagement sicherzustellen. Durch Reflexionsübungen und praxisorientierte Entscheidungsphasen wird Wissen nicht nur vermittelt, sondern nachhaltig verankert.
Die Kombination aus aktueller Fachinformation, digitaler Barrierefreiheit und interaktiven Lernmethoden sorgt dafür, dass der Kurs gleichermaßen für Einsteiger*innen und erfahrene Pflegefachpersonen einen hohen Mehrwert bietet. So wird Lernen nicht zum Pflichtprogramm, sondern zu einem Werkzeug für Qualität und Selbstsicherheit in der Pflegepraxis.
Für wen ist der Kurs geeignet?
Der Kurs richtet sich an alle Pflegefachpersonen, die in der stationären, ambulanten oder teilstationären Pflege tätig sind und ihr Wissen zum Schmerzmanagement in der Pflege nach dem aktuellen DNQP-Standard erweitern oder auffrischen möchten.
Sie möchten mehr zu unserem Kurs-Angebot erfahren? Eine Übersicht unserer zahlreichen E-Learning-Kurse finden Sie hier.
Auszug aus dem Relias E-Learning-Kurs „Expertenstandard Kurs Schmerzmanagement“
Quellenverzeichnis
Deutsches Netzwerk für Qualität in der Pflege (DNQP) (2020): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege – Aktualisierung 2020. Osnabrück: DNQP.
Deutsches Netzwerk für Qualität in der Pflege (DNQP) (2022): Praxisprojekt zum Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege – Abschlussbericht. Osnabrück: DNQP.
Statista (2021): Umfrage zur Häufigkeit von Schmerzen in Deutschland. URL: https://www.statista.com/statistics/12345678/schmerzen-deutschland/
Wörz, R. et al. (2019): Schmerz und psychische Störungen – eine Übersicht. Schmerzmedizin 35 (4), S. 214–220.
Häufige Fragen zum Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege
Was ist der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege
Er beschreibt, wie Pflegefachpersonen Schmerzen erkennen, bewerten und behandeln, um Betroffenen eine akzeptable Schmerzsituation zu ermöglichen.
Wie unterscheiden Pflegekräfte akute und chronische Schmerzen?
Akuter Schmerz ist kurzfristig und reagiert auf Behandlung, während chronischer Schmerz über mindestens drei Monate anhält und oft eigenständigen Krankheitswert hat.
Welche Schritte umfasst das Schmerzassessment?
Es beginnt mit einem Screening, gefolgt von einer detaillierten Erhebung zu Intensität, Qualität, Verlauf und Einflussfaktoren des Schmerzes.
Welche Skalen werden empfohlen?
Der Expertenstandard nennt u. a. die numerische Ratingskala (NRS), die visuelle Analogskala (VAS) und für Menschen mit Demenz die BESD-Skala.
Wie können Einrichtungen den Standard umsetzen?
Durch Schulungen, regelmäßige Evaluation und Einbindung in digitale Dokumentationssysteme.