Chronische Wunden bedeuten für Betroffene häufig eine enorme Belastung. Sie können schmerzen, riechen, die Mobilität einschränken und zu sozialem Rückzug führen. Oft ist kein Ende dieser Belastung in Sicht, weil die Wunde nicht heilt oder sich Rezidive bilden.
Auch für Pflegefachpersonen bedeutet die Versorgung chronischer Wunden eine Herausforderung, die nicht nur Fachwissen über Wundarten und Behandlungsmethoden erfordert, sondern vor allem die Fähigkeit, empathisch auf die psychosozialen Belastungen einzugehen.
Der aktualisierte Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, 2. Aktualisierung 2025“ (DNQP 2025a) unterstützt Pflegefachpersonen mit klaren Kriterien, Leitlinien und Handlungsempfehlungen bei der Herausforderung, die Lebensqualität, Unabhängigkeit und das Wohlbefinden der Betroffenen zu stärken.
Was ist neu an der Aktualisierung 2025?
Neben strukturellen Veränderungen, wie die Überarbeitung der Handlungsebenen, sind besonders folgende Aktualisierungen relevant für die Pflegepraxis:
Den Menschen unterstützen – nicht nur die Wunde versorgen
Eine chronische Wunde hat zunächst einen medizinischen Namen: Ulcus cruris, Dekubitus oder diabetisches Fußulcus. Für Betroffene bedeutet die Wunde jedoch mehr als nur eine medizinische Diagnose und Therapie: Sie kann mit starken Schmerzen verbunden sein – oder schmerzlos sein. Sie kann eine gute Prognose haben oder gegebenenfalls nie heilen. Sie kann riechen und Flüssigkeit absondern und dadurch Ekel bei anderen Menschen, aber auch bei den Betroffenen selbst hervorrufen.
Und eine chronische Wunde braucht Zeit, nicht nur zum Heilen, wenn sie überhaupt heilt, sondern auch beim Verbandwechsel, der Behandlung oder der Hilfsmittelversorgung.
Daher stellt der Expertenstandard in seiner Aktualisierung die durch die Wunde verursachten Auswirkungen und Einschränkungen der Lebensqualität noch stärker in den Mittelpunkt. Die Fokussierung auf die wund- und therapiebedingten Beeinträchtigungen der betroffenen Menschen bedeutet auch, dass die Bedeutung der personenzentrierte Pflege sowie die Förderung der Kompetenzen Betroffener für ein gesundheitsbezogenes Selbstmanagement an Bedeutung gewinnt.
In der Ersteinschätzung wird daher nicht nur die Wunde erfasst, sondern auch und insbesondere psychosoziale Faktoren. Auf der Grundlage dieses Assessments werden schließlich Maßnahmen geplant, mit denen Pflegefachpersonen als Teil eines interdisziplinären Teams die Lebensqualität, die Unabhängigkeit und das Wohlbefinden der Betroffenen, gemeinsam in einem multidisziplinären Team, stärken können.
Betonung der fachlichen Expertise
Denn auch wenn sich der Expertenstandard an Pflegefachpersonen wendet, betonen der Expertenstandard, dass deren Fachkenntnisse für die häufig sehr komplexe Versorgung chronischer Wunden nicht immer ausreichend sein kann. Dann werden spezialisierte Kompetenzen und Erfahrungen notwendig (DNQP 2025: 2). Daher empfiehlt der Expertenstandard ausdrücklich, dass pflegerische Fachexpertise zum Thema Wunde, z. B. durch die Qualifikation mittels anerkannter Weiterbildungen, in allen Settings zur Verfügung stehen und in Anspruch genommen werden sollte.
Vom Ulcus mixtum zum Ulcus cruris arterio-venosum
Das Ulcus cruris arterio-venosum ersetzt die bisherige Bezeichnung „Ulcus cruris mixtum“ und ermöglicht damit eine differenziertere Behandlung. Der Begriff Ulcus mixtum führte im Alltag oft dazu, dass die verschiedenen Stadien der zugrundeliegenden Krankheitsbilder der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) und der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) nicht berücksichtigt wurden und gerade Betroffene mit einer pAVK keine Kompressionstherapie erhielten. Der Expertenstandard folgt daher den Empfehlungen der Fachgesellschaften, den undifferenzierten Begriff Ulcus mixtum durch den Begriff Ulcus cruris arterio-venosum zu ersetzen (Dissemond 2023).
Auszug aus dem Relias E-Learning-Kurs „Expertenstandard chronische Wunden – Einführung“
Welche Ziele verfolgt der Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“?
Der Expertenstandard verfolgt nicht nur das Ziel, die Wundsituation zu verbessern, sondern auch die Lebensqualität und Selbstständigkeit der Betroffenen. Daher stehen nicht nur die Versorgung der Wunde und die Wundheilung im Fokus, sondern auch – und besonders – die Beeinträchtigungen, die Menschen durch die chronische Wunde erfahren.
Daher zielen die Empfehlungen des Expertenstandards darauf ab …
- Einschränkungen der Betroffenen zu erfassen und zu verstehen.
- Maßnahmen zur Wundheilung und Symptomkontrolle zu planen.
- Betroffene und Angehörige im Selbstmanagement zu schulen.
- Rezidive zu vermeiden.
- Pflegeprozesse zu dokumentieren und zu evaluieren.
Auszug aus dem Relias E-Learning-Kurs „Expertenstandard chronische Wunden – Einführung“
Welche Bedeutung hat der Expertenstandard für die Pflegepraxis?
Expertenstandards wirken. Sie spiegeln den allgemein anerkannten, aktuellen Stand der Pflegeforschung, aber auch pflegepraktische Erfahrungen wider (Medizinischer Dienst 2020) und zeigen durch Handlungsempfehlungen Wege auf, wie Pflegefachpersonen dieses Wissen in die Praxis umsetzen können. Damit wird nicht nur die pflegerische Versorgung verbessert, sondern Kompetenzen der beruflich Pflegenden gefördert.
Der Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ ist ein wichtiger Leitfaden für die professionelle Pflegepraxis und bietet klare Richtlinien und Handlungsempfehlungen:
- zur Ersteinschätzung …
- der Wundsituation und der Wund- und therapiebedingten Beeinträchtigungen
- der Möglichkeiten des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements
- des individuelle Krankheitsverständnis
- zur Ableitung und Planung von Maßnahmen …
- im Umgang mit und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen wie Schmerzen, Wundexsudat oder Wundgeruch
- im Umgang mit möglichen Körperbildstörungen
- zur Förderung der Wundheilung
- zu möglichen Informations- und Beratungsangeboten, z. B.
- in Bezug auf die Wundursache
- Möglichkeiten zur Förderung der Selbstmanagementfähigkeit betroffener Menschen und wenn möglich auch ihrer Angehörigen
- zur Rezidivprophylaxe
- zur Koordination der interprofessionellen Versorgung, wie
- die Planung von Untersuchungen
- die Abstimmung schmerztherapeutischer Maßnahmen
- dem Entlassungsmanagement
- zur fachgerechten Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen, wie
- dem Verbandwechsel
- der regelmäßigen Einschätzung der Wundsituation
- zur Beurteilung und wenn nötig zur Anpassung der Maßnahmen
Beachten beruflich Pflegende diese Handlungsempfehlungen, können sie die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden verbessern, kostenintensive Komplikationen reduziere und zusätzlich zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen.
Gibt es ein Beispiel, was die Handlungsempfehlungen des Expertenstandards ganz konkret für die Versorgung chronischer Wunden bedeuten können?
Ja, die Kriterienlisten des Expertenstandards sind eines der vielen möglichen Beispiele, wie der Expertenstandard in der Pflegepraxis die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden verbessern kann. Anhand dieser Listen können Pflegefachpersonen sowohl die durch die Wunde bedingten Beeinträchtigungen Betroffener sowie deren Selbstmanagementkompetenzen einschätzen, als auch die Wunde systematisch erfassen.
Die Kriterienliste zur Einschätzung der Beeinträchtigungen und Selbstmanagementkompetenzen beispielsweise erfasst folgende 4 Kriterien:
Krankheitsverständnis, z. B. zur Wundursache oder der Bedeutung von speziellen Maßnahmen der Wundtherapie
Wund- und therapiebedingte Einschränkungen, wie z. B. Schmerzen, Immobilität, Scham, Selbstekel oder sozialen Rückzug
Vorhandene wundbezogene Hilfsmittel, z. B. ob die betroffene Person Hilfsmittel verwendet und wie sie damit zurechtkommt
Selbstmanagementkompetenzen, wie z. B. die eigenen Fähigkeiten eingeschätzt werden, empfohlene Maßnahmen im Alltag umzusetzen
Anhand dieser Kriterien können Pflegende Fragen formulieren, die sich sowohl in das pflegerische Erstgespräch als auch in regelmäßige Verlaufsgespräche integrieren lassen. Sie helfen Pflegefachpersonen, gemeinsam mit der betroffenen Person realistische Ziele zu formulieren und gezielte Unterstützungsmaßnahmen zu planen.
Den Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ durch E-Learning vermitteln
Ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Expertenstandards in die Pflegepraxis ist die praxisnahe Vermittlung der Inhalte.
Relias bietet ab sofort den E-Learning-Kurs „Expertenstandard Chronische Wunde – Einführung“ auf Grundlage des neuen Expertenstandards in der Kursbibliothek an.
In den aktualisierten Kursen zum Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ haben wir mit einer Fachexpertin zusammengearbeitet: Simone Schmidt hat eine Ausbildung zur examinierten Krankenschwester und die Zusatzqualifikationen Qualitätsmanagement, Gerontopsychiatrie und Process Coach absolviert. Sie arbeitete in verschiedenen Pflegesektoren, unter anderem über 25 Jahre auf einer psychiatrischen Intensivstation und ist aktuell in der Pflegedirektion einer Fachklinik als Stabstelle QM tätig. Frau Schmidt ist Dozentin Fachbuchautorin u. a. des inzwischen in der 5. Auflage erschienen Praxisbuchs: „Expertenstandards in der Pflege – eine Gebrauchsanleitung“.
Und wie geht es weiter?
Ergänzend zu dem Einführungskurs wird es ab Herbst 2025 einrichtungsbezogene Kurse geben, die die unterschiedlichen Situationen in Krankenhäusern, stationären Pflegeeinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten berücksichtigen und Lernenden ein fallbezogenes, exemplarisches Lernen ermöglichen.
Sie möchten mehr zu unserem Kurs-Angebot erfahren? Eine Übersicht unserer zahlreichen E-Learning-Kurse finden Sie hier.
Quellennachweise
AWMF – Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (2023): S3-Leitlinie Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus oder chronischer venöser Insuffizienz [online, zuletzt abgerufen am 17.07.2025].
Dissemond, J. (2023): Die ICW empfiehlt den Begriff Ulcus cruris mixtum zukünftig nicht mehr zu verwenden, in: medical special 2/2023 [online, zuletzt abgerufen am 17.07.2025].
DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg., 2025a): Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, 2. Aktualisierung 2025., Schriftenreihe des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege. Osnabrück, Deutschland.
DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg., 2025b): Presse-Information – Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, 2. Aktualisierung 2025“ verfügbar [online, zuletzt abgerufen am 28.08.2025).
Medizinischer Dienst-Bund (2023): Expertenstandards nach § 113a, SGB XI [online, zuletzt abgerufen am 28.08.2025].
Schmidt, S. (2024): Expertenstandards in der Pflege – eine Gebrauchsanleitung, 5. Aufl., Heidelberg, Berlin, Deutschland: Springer-Verlag [E-Book].
Schuler et al. (2009): Erfassung von Selbstmanagementkompetenzen [online, zuletzt abgerufen am 28.08.2025].
SGB – Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung –,das zuletzt durch Artikel 33 u. Artikel 35 Absatz 10 des Gesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 108) geändert worden ist [online, zuletzt abgerufen am 28.08.2025].
SGB – Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung –, das zuletzt durch Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 10 des Gesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 108) geändert worden ist [online, zuletzt abgerufen am 28.08.2025].


