Um die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern zu verbessern, wurden Untergrenzen für das Pflegepersonal definiert und umgesetzt. Aufgrund der Covid-19 Pandemie und drohender Überlastung in der Pflege wurden die Regelungen im Frühjahr 2020 vollständig ausgesetzt.
Die Verordnung zu den Pflegepersonaluntergrenzen (PpUGV) trat im Oktober 2018 in Kraft, wir berichteten darüber. Nach der Aussetzung der Personalregelungen am 1. März 2020 wurden sie für die Intensivmedizin und Geriatrie ab 1. August 2020 wieder in Kraft gesetzt. Man wollte eine personelle Unterbesetzung in der Pflege und eine Gefährdung der Patienten in diesen beiden Bereichen vermeiden. Für die übrigen pflegesensitiven Bereiche blieb die Aussetzung bis 31. Januar 2021.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) baut nun seine Vorgaben weiter aus: Seit 1. Februar 2021 werden weitere Pflegepersonaluntergrenzen in den Krankenhäusern eingeführt. Sie gelten für Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Pädiatrie (Kinder- und Jugendmedizin) und pädiatrische Intensivmedizin.
Welche Personaluntergrenzen gelten nun?
In der Verordnung zu den Pflegepersonaluntergrenzen wird die maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft festgelegt. Dabei wird zwischen Tag- und Nachtschicht unterschieden.
Hier sind die neuen Pflegepersonaluntergrenzen pro Pflegekraft, gültig seit 1. Februar 2021:
- Intensivmedizin und pädiatrische Intensivmedizin: Tagschicht 2 Patienten, Nachschicht 3 Patienten
- Geriatrie: Tagschicht 10 Patienten, Nachtschicht 20 Patienten
- Allgemeine Chirurgie und Unfallchirurgie: Tagschicht 10 Patienten, Nachtschicht 20 Patienten
- Innere Medizin und Kardiologie: Tagschicht 10 Patienten, Nachtschicht 22 Patienten
- Herzchirurgie: Tagschicht 7 Patienten, Nachtschicht 15 Patienten
- Neurologie: Tagschicht 10 Patienten, Nachtschicht 20 Patienten
- Neurologische Schlaganfalleinheit: Tagschicht 3 Patienten, Nachschicht 5 Patienten
- Neurologische Frührehabilitation: Tagschicht 5 Patienten, Nachschicht 12 Patienten
- Pädiatrie: Tagschicht 6 Patienten, Nachschicht 10 Patienten
Wichtig: § 6 Absatz 2 der PpUGV regelt den auf die Erfüllung der Untergrenzen anrechenbaren maximalen Anteil von Pflegehilfspersonal.
Begeisterung sieht anders aus: Kritische Stimmen bleiben
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und einige Pflegeverbände kritisieren die Personaluntergrenzen weiterhin: Zu viel Bürokratie und kein Bezug zum Pflegeaufwand, so der Vorstandschef des Bundesverbandes Pflegemanagement, Peter Bechtel, der grundsätzliches Umdenken fordert. Die DKG forderte im Januar 2021 eine erneute Aussetzung der Untergrenzen mit sofortiger Wirkung, um die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser während der Pandemie zu sichern.
Viele Krankenhäuser wünschen sich die Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzen
Die jährliche Repräsentativbefragung von 438 deutschen Krankenhäusern ab 100 Betten, das Krankenhaus Barometer 2020, füttert die Skepsis mit Umfragezahlen: Die Mehrzahl ist für eine Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzen. 29 Prozent der Häuser sind sogar für die ersatzlose Streichung. 63 Prozent plädieren für den Ersatz der Untergrenzen durch ein anderes Verfahren der Personalbedarfsmessung wie der sogenannten PPR 2.0.
Die Pflegepersonaluntergrenzen führten demnach weiterhin zu Bettensperrungen in den pflegesensitiven Bereichen und zur zeitweiligen Abmeldung von der Notfallversorgung. Durch kurzfristige Änderungen von Dienstplänen und vermehrten Abrufen aus der der Dienstfreiheit würde das Pflegepersonal zusätzlich belastet.
Das Barometer wird im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) und des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK) erstellt.
Warum die Verordnung der Pflegepersonaluntergrenzen bleibt
Der GKV Spitzenverband begrüßt z.B. die Pflegepersonaluntergrenzen als Mindestpersonalausstattung für den Patientenschutz. Ferner schützten sie die Pflegenden vor Überlastung. Wichtig sei, dass Ausnahmen z.B. während der Corona Pandemie, sanktionsfrei blieben, etwa, wenn Krankenhäuser die Pflegepersonaluntergrenzen nicht einhalten können. Das sieht die Verordnung in § 7 auch vor: Nicht einhalten müssen Krankenhäuser die Pflegepersonaluntergrenzen bei kurzfristigen krankheitsbedingten Personalausfällen, die in ihrem Ausmaß über das übliche Maß hinausgehen, wie bei starken Erhöhungen der Patientenzahlen, bei Epidemien oder bei Großschadensereignissen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bleibt dabei: „…Das Versagen der Selbstverwaltung erfordert unser Handeln zum Schutz sowohl der Patientinnen und Patienten als auch der Pflegekräfte. Daher haben wir die Untergrenzen für pflegesensitive Stationen festgelegt. Denn die Unterbesetzung von z.B. intensivmedizinischen Stationen im Krankenhaus kann fatale Folgen haben“.
Warum der Gesetzgeber trotz Selbstverwaltung gehandelt hat
In den vergangenen Jahren hatten die Interessenvertreter von Krankenhäusern und Krankenkassen den Auftrag, Personaluntergrenzen für pflegesensitive Krankenhausbereiche selber festzulegen. Doch diese Verhandlungen sind immer wieder gescheitert, so dass der Gesetzgeber zum Wohl der Patienten handelte. Damit griff die Ermächtigung zur Ersatzvornahme durch das BMG, die Pflegepersonaluntergrenzen per Verordnung zu erlassen. Weil sich Kassenverband und Kliniklobby auch bei den weiteren Verhandlungen 2020 nicht fristgerecht auf weitere Untergrenzen einigen konnten, kommen die weiteren Regelungen für 2021 zu den Personaluntergrenzen in der Pflege erneut per Ersatzvornahme.
Alternativen zur Personalbemessung in der Krankenhauspflege
Ein Alternativmodell der Bemessung einer geeigneten Personalausstattung in der Krankenhauspflege ist die Personalbedarfsmessung PPR 2.0. Dieses Instrument befürworten die DKG, der Deutsche Pflegerat und die Gewerkschaft ver.di. Hier werden Patienten täglich in je vier Grund- und Spezialpflege-Leistungsstufen eingeteilt. Jeder Stufe ist ein Minutenwert zugeordnet. Hinzu kommen Grund- und Fallwerte als Basis. In der Summe ergibt sich so ein Zeitwert pro Patient, der den Pflegepersonalbedarf abbildet. Der zusammengefasste Wert aller Patienten ergibt den Pflegepersonalbedarf des Hauses.
DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß lehnt die Ausweitung der Pflegepersonaluntergrenzen 2021 entschieden ab und befürwortet das von den drei Partnern vorgelegte PPR 2.0-Modell. Es ziele auf eine Personalbemessung für das gesamte Krankenhaus ab. Das Instrument orientiere sich auch nicht an Untergrenzen, „sondern an einer guten Personalausstattung“ in der Pflege. „Das wäre unser Weg, so Gaß bereits 2019. Er fordert nach wie vor die „Rücknahme von detailgenauer Überwachung … wie wir sie aktuell mit den Untergrenzen erleben“.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus mahnt: „Wir müssen auch an Prozesse ran.“ Diese ließen sich verbessern. In Deutschland diskutiere man aber leider nicht, „wer was am besten kann im Gesundheitsbereich, sondern in welchen Kästchen haben wir es in den letzten 50 Jahren gemacht“. Die PpUG sei nur ein erster Schritt innerhalb eines „step by step“ Weges. Er begrüßt die gemeinsamen Überlegungen des neuen Pflegepersonalbemessungsinstrumentes PPR 2.0 im Ringen um ein adäquates Bemessungsverfahren.
Die Neujustierung aller miteinander vernetzten Gesundheitsberufe ist im Denkprozess der Koalition angekommen: Dabei geht es darum, welche Aufgaben Ärzte, Pflegekräfte, akademisierte Pflegekräfte, Pflegehilfskräfte und andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen in Zukunft haben werden. An dem Prozess sind Vertreter des Gesundheits- und Familienministeriums, der Pflegeberufsverbände und die Bundesärztekammer beteiligt.
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