Präbiotika – Unsere Bakterien essen, was wir Menschen essen

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Unsere „guten“ Darmbakterien sind wahre Multitasking-Genies, die viele wichtige Funktionen in unserem Körper übernehmen: Sie schlagen Krankheitserreger in die Flucht. Sie halten potentiell pathogene Bakterienstämme der natürlichen Darmflora in Schach. Sie bauen für uns unverdauliche Ballaststoffe ab und bilden wichtige Nährstoffe wie kurzkettige Fettsäuren, Vitamine, Aminosäuren. Sie trainieren unser Immunsystem. Sie kommunizieren sogar mit dem Gehirn und beeinflussen Gedächtnis, Erleben und Verhalten. Auch der Zusammenhang zwischen einer gestörten Darmflora und zahlreichen Erkrankungen ist längst erwiesen.

Um dieses Werk zu vollbringen, benötigen die Darmbakterien Nahrung. So wie jeder emsige Arbeiter. Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, wovon unsere Darmbakterien so leben?

Präbiotika – eine Lieblingsspeise unserer „guten“ Darmbakterien

Unsere nützlichen Darmbakterien lieben Hülsenfrüchte, Getreide, Kohl und faseriges Gemüse. Warum? Sie enthalten einen hohen Anteil an Präbiotika – wasserlöslichen Ballaststoffen und Pflanzenfasern. Für uns Menschen sind diese nicht verdaulich und wandern direkt in den Dickdarm. Präbiotika werden daher als unverdauliche Nahrungsstoffe bezeichnet, „die selektiv bestimmte, für den Menschen ‚gute‘ Bakterien, wie Bifidobakterien und möglicherweise auch andere Mikroorganismen in ihrem Wachstum im Darm fördern und dadurch positive gesundheitliche Wirkungen erzielen“[1].Eine einheitliche wissenschaftliche oder behördliche Definition gibt es aber noch nicht[2], vielmehr erfolgen von Zeit zu Zeit Updates entsprechend der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse[3].

Insbesondere die im Dickdarm ansässigen Bifidobakterien und Lactobazillen freuen sich über die leckere Mahlzeit. Präbiotika sind nämlich deswegen so nahrhaft, weil sie komplexe Kohlenhydrate enthalten. Zu den natürlich vorkommenden Präbiotika zählen Inulin und Oligofruktose. Sie sind wichtige Speicherkohlenhydrate in Pflanzen wie in Lauch, Zwiebeln, Knoblauch, Artischocken, Chicorée, Schwarzwurzel, Topinambur, Pastinaken, Spargel, Hülsenfrüchten und Bananen sowie Roggen, Weizen, Hafer. In Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln sind ebenfalls Präbiotika wie Inulin oder Oligofruktose enthalten, die von Herstellern gezielt zugesetzt werden. Sie sollen Produkteigenschaften verbessern oder das Lebensmittel „gesünder“ machen. Der globale Präbiotika-Markt boomt und man rechnet bis zum Jahr 2023 mit einer Marktgröße von über 7.5 Billionen US-Dollar[4].

Zufriedene Darmbakterien – zufriedener Mensch

Präbiotika und Darmbakterien

Im Dickdarm angelangt, werden die Präbiotika dann von unseren „guten“ Darmbakterien fermentiert, also zerlegt. Quasi eine Verdauung in unserer Verdauung. Essentielle Abbauprodukte sind die kurzkettigen Fettsäuren – schlechthin ‚die‘ Energielieferanten für jene „guten“ Darmbakterien und unsere Darmschleimhautzellen.

Darüber hinaus sind sie wichtige Entzündungshemmer, stimulieren die Darmmotorik und dringen sogar bis ins Gehirn vor, um Sättigungsimpulse auszulösen. Kurzkettige Fettsäuren sollen ebenso eine hemmende Wirkung auf Darmkrebszellen haben[5] und Symptome lindern, die bei psycho-sozialem Stress auftreten[6]. Letzteres ist allerdings erst in der Maus gezeigt worden.

Die Fermentation von Präbiotika und die „Weiterverwendung“ der Abbauprodukte bringt also viele positive Effekte – für Darmbakterien, Darmschleimhaut und unseren Körper. Einige Beispiele[7]:

  • Mehr nützliche Bifidobakterien und Lactobazillen und weniger Krankheitserreger
  • Mehr nützliche Metabolite wie die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Propionat & Butyrat
  • Erhöhte Calcium-Aufnahme
  • Niedrigeres Allergie-Risiko
  • Verbesserte Immunabwehr
  • Verbesserte Barrierefunktion der Darmschleimhaut
  • Verbesserte Darmfunktion durch erhöhtes Stuhlgewicht und Stuhlfrequenz

Präbiotika sind übrigens auch in der Muttermilch enthalten. Diese Humanen Milch-Oligosaccharide sind echte Leckerbissen und sollen die Population der im Säuglingsdarm vorhandenen Bifidobakterien erhöhen sowie Krankheitserreger abschrecken, die bei Säuglingen Infektionen verursachen können[8]. Viele Marken von Säuglingsanfangsnahrung werden nun durch Oligosaccharide ergänzt, um diesen Effekt nachzuahmen.

Mehr Soulfood für die Darmbakterien

Einen Teil unserer Nahrung essen wir also für unsere Darmbakterien mit.

Ein wirklich fairer Deal! Vor dem Hintergrund, was unsere Darmbakterien so leisten. Empfehlungen gibt es die verschiedensten. „Gute Darmbewohner fördern“, sagt das Bundeszentrum für Ernährung[9].

eine ballaststoffreiche Ernährung hilft auch unseren Darmbakterien

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. empfiehlt einen reichlichen Verzehr von Obst, ballaststoffreichem Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten und eine tägliche Ballaststoffzufuhr von ca. 30g[10]. Andere Stellen empfehlen 5g Präbiotika am Tag. Mehr Power – mehr Performance! Satte Darmbakterien tragen also maßgeblich zu unserem eigenen Wohlbefinden bei.

Therapeutisches Potential

Das therapeutische Potential ist unbestritten vorhanden. So hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority) beispielsweise schon anerkannt, dass sich Inulin aus der Chicorée-Wurzel positiv auf die Stuhlfrequenz auswirkt[11].

Für therapeutische Rückschlüsse ist es aber noch zu früh. Fachleute und Wissenschaftler ermutigen zu weiteren Studien. In dem hoch anerkannten Journal Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology haben Experten im vergangenen Jahr 2017 ein Konsensus-Dokument veröffentlicht und schlussfolgern so: „(…) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Präbiotika das Potenzial haben, die Gesundheit von Mensch und Tier zu verbessern und das Risiko von Krankheiten zu verringern, die durch Aberrationen von Mikrobiota verursacht werden. Das Fachgebiet würde sehr von einer Forschung profitieren, die sich auf Wirkungsmechanismen konzentriert, die Responder oder Nicht-Reporter charakterisiert und versteht, wie sich die Struktur auf die Funktion präbiotischer Substanzen bezieht und diese Funktion mit gesundheitlichen Auswirkungen korreliert. Der Einsatz von Präbiotika zur Verbesserung der Gesundheit kann und sollte nicht isoliert betrachtet werden und wird Teil eines umfassenderen Ansatzes für gesunde Ernährung und gesundem Lebensstil sein. Das Potential für Präbiotika besteht, therapeutisch zur Behandlung von Krankheiten und zur präventiven Gesundheitsförderung eingesetzt zu werden.“[3].

Sind Ihnen Ihre Darmbakterien jetzt nicht noch sympathischer? Wir freuen uns auf weitere Erkenntnisse!


Quellenangaben

[1] Deutsche Gesellschaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom

[2]Curr Dev Nutr. 2018 Jan 29;2(3):nzy005. doi:0.1093/cdn/nzy005.eCollection 2018 Mar.

[3] Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology volume 14, pages 491–502 (2017)

[4] Global Market Insights, Prebiotics market size by ingredient 2017 – 2024 [Internet]. 2017, https://www.gminsights.com/industry-analysis/prebiotics-market

[5] Nutrients. 2017 Dec 12;9(12). pii: E1348. doi: 10.3390/nu9121348

[6]J Physiol. 2018 Jul 31. doi: 10.1113/JP276431. [Epub ahead of print]

[7]Curr Dev Nutr. 2018 Jan 29;2(3):nzy005. doi:10.1093/cdn/nzy005. eCollection 2018 Mar.

[8]Adv Nutr. 2012 May; 3(3): 406S–414S.

[9] https://www.bzfe.de/ernaehrung/ernaehrungswissen/gesundheit/mikrobiom/

[10] https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/ausgewaehlte-fragen-und-antworten-zu-ballaststoffen/

[11] EFSA Journal 2015;13(1):3951


Bildnachweis: marilyn barbone – stock.adobe.com; fotoliaxrender – stock.adobe.com

ist Molekularbiologin und hat am Leibniz-Institut für Altersforschung in Jena promoviert. Danach hat sie mit Unternehmen der Gesundheits- und Biotechnologie-Branche unter anderem in den Fachgebieten Infektionsprävention und Darmmikrobiom zusammen gearbeitet. Heute führt sie ihr eigenes Unternehmen im Bereich Marketing und Consulting. Die Erstellung von Fachbeiträgen ist eines ihrer Tätigkeitsgebiete.
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