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Die OSCE-Prüfung als Form der Anleitung

Inhaltsverzeichnis

In den vorherigen Teilen dieser Serie wurden der Auszubildende Peter und sein Praxisanleiter Ulrich vorgestellt. Im Rahmen der Anleitung von Peter in seinem ersten Praxiseinsatz sind einige Fragen hinsichtlich der Struktur, Organisation und vor allem Methodik der Praxisanleitung aufgetaucht. In diesem Beitrag soll es um die OSCE-Methode als Anleitungsmöglichkeit gehen.

OSCE in der praktischen Ausbildung

Nach ihrem letzten gemeinsamen Dienst und der Anleitung durch die Leittextmethode, gab Ulrich seinem Lernenden Peter eine weitere Hausaufgabe. Peter soll sich mit dem Begriff und der Methode OSCE vertraut machen. Diese möchte Ulrich als eine Art Prüfungssimulation auf der Station mit Peter durchführen. Was das genau ist und warum sich dies als Prüfungssimulation eignet, soll Peter zunächst im Selbststudium erarbeiten.

OSCE

OSCE steht für Objective Structured Clinical Examination und beschreibt eine Stationsprüfung, um die berufliche Handlungskompetenz der Lernenden zu erfassen.

Handlungskompetenz in diesem Sinne wird wie folgt beschrieben:

„Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen Fachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz“ (KMK 2021, S. 32).

Die angesprochenen Kompetenzen finden bei der Erstellung diverser Prüfungsformate Berücksichtigung.

Eines dieser Prüfungsformate wird durch OSCE beschrieben. Neben der Messung der Fachkompetenz in den Fragestationen, wird durch die Prozedurstationen zusätzlich die Methoden- und Sozialkompetenz in der Arbeit mit Simulationspatient*innen erfasst. Zudem kann die Personalkompetenz eingeschätzt werden. An dieser Stelle fällt Peter auf, dass es offensichtlich mehrere Stationen mit unterschiedlichen Anforderungen zu absolvieren gilt. Er fragt sich zudem, ob man immer Simulationspatient*innen einsetzen muss, oder auch an „echten“ Patient*innen geübt werden kann?

Des Weiteren fragt sich Peter, inwiefern alle handelnden Personen das gleiche Verständnis von Kompetenz im Rahmen der beruflichen Handlungskompetenz haben. Peter erinnert sich dabei an Ulrich, der ihm von der Arbeitsdefinition nach Pätzold erzählt hat:

Pätzold hat die berufliche Handlungskompetenz in vier Teilbereiche untergliedert:

  • Unter Fachkompetenz werden berufsspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten subsummiert.
  • Methodenkompetenz meint situations-und fächerübergreifende kognitive Fähigkeiten zur Aneignung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten.
  • Sozialkompetenz umfasst Fähigkeiten, kooperativ zusammenzuarbeiten.
  • Personalkompetenz umfasst die Veranlagung eines Menschen, die eigene Persönlichkeit sowie das eigene Wissen, das Können und die Fähigkeiten immer wieder zu reflektieren und ggf. zu verändern. (vgl. Pätzold, 2006:73f. In: Goltz 2012: 19)

Um die berufliche Handlungskompetenz zu erfassen, ist die Ausführung einer Tätigkeit im Sinne der Performanz notwendig. Der OSCE ist ein Prüfungsinstrument, welches diesen Ansprüchen gerecht werden kann. Harden et al. (1975) haben das für das Medizinstudium erstmalig vorgestellt. Die zu Prüfenden rotieren dabei zu verschiedenen Stationen (ebd.). In den Fragestationen steht die Überprüfung des theoretischen Wissens im Vordergrund. In den Prozedurstationen können praktische Fertigkeiten im Umgang mit Simulationspatient*innen erfasst werden. Diese Leistungen werden auf Checklisten dokumentiert (ebd., In: Goltz 2012: 20).

Ulrich hat mit Hilfe eines freiwilligen Patienten und in Zusammenarbeit mit dem Stationsteam ein kleines OSCE vorbereitet. Dies klärt zunächst Peters Frage. Es können auch reale Patient*innen einbezogen werden. Jedoch müssen dazu die Übungen sorgsam gewählt und das Einverständnis eingeholt sein. Freiwilligkeit und Sicherheit des Patienten stehen im Vordergrund.

Ulrich erklärt Peter, dass das vorbereitete OSCE zum Thema komplementäre Schmerztherapie stattfinden wird…

Grundvoraussetzung dazu ist das theoretische Wissen, welches sich Peter im Rahmen seiner Ausbildung angeeignet hat und welches durch Ulrich überprüft wurde.

Im Fokus der Prozedurenstation des OSCE zu diesem Lernfeld stehen folgende Kompetenzen:

Fachliche Kompetenz: Die Lernenden kennen die anatomisch-physiologischen Grundlagen des Schmerzes; kennen Verfahren der medikamentösen und nicht-medikamentösen Schmerztherapie und können diese beschreiben

Sozial-Kommunikative Kompetenz: Die Lernenden gehen wertschätzend mit Schmerzpatient*innen um und achten auf die Subjektivität des Schmerzes; können auf die Schmerzwahrnehmungen und das unterschiedliche Schmerzerleben von Patient*innen empathisch eingehen, können Patient*innen aller Altersgruppen und deren Angehörige zum Schmerzmanagement beraten

Methodische Kompetenz: führen die Schmerzanamnese, die Durchführung der Maßnahmen und die Überwachung der Therapie entsprechend dem Expertenstandard durch, können einige ausgewählte komplementäre Pflegemethoden zur Schmerztherapie anwenden

Personale Kompetenz: Die Lernenden setzen sich mit der existentiellen Dimension des Themas Schmerz auseinander

Die Vorbereitung

Beschreibung der Prüfungsstation

In der von Ulrich vorbereiteten Station, liegt der Simulationspatient im Bett seines Einzelzimmers. Es ist morgens etwa 7:30 Uhr. Der Prüfer sitzt an einem Tisch im Patientenzimmer. Peter erhält seine durchzuführende Aufgabe anhand eines Aushangs an der Außentür des Zimmers. Bei Eintritt trifft er auf den Patienten, der soeben erwacht und sich nonverbal und verbal hinsichtlich seiner Schmerzen im Schulter-Nackenbereich äußert.

Die Stellung des Kopfteiles des Bettes ist auf 45° eingestellt, das Fußende ist leicht erhöht. Auch lässt eine gefüllte Urinflasche Rückschlüsse darauf ziehen, dass der Simulationspatient nachts das Bett für die Miktion nicht verlassen hat. Das Kissen des Bettes ist zusammengeknäult, die Decke aus dem Bett gefallen. Das sehr verzogene Laken lässt vermuten, dass der Patient unruhig geschlafen hat.

Instruktionen für den Patienten/die Patientin

Für das erfolgreiche Gelingen dieser Methode ist es notwendig eine umfassende Anleitung für den Patienten zu verfassen. Dabei wird die räumliche Umgebung vorgestellt, die Situation des Patienten erläutert und relevante Hintergrundinformationen in Form einer medizinischen-, pflegerischen und sozialen Anamnese gegeben.

Es folgt ein kurzer Auszug:

Die hier folgenden Ausführungen sind wichtig, wenn man mit Simulationspatient*innen arbeitet!

Sie haben aufgrund einer unruhigen Nacht, eines unbequemen Bettes und eines katastrophalen Kopfkissens Schmerzen im Schulter-Nackenbereich. Dies bedeutet für Sie Folgendes:

Sie haben ziehende, teilweise brennend-kribbelnde Schmerzen, die bis in den oberen Rückenbereich ziehen. Auf einer Skala von 0-10 haben Sie in Ruhe Schmerzen von 4, bei Belastung von 6. Auslösende Faktoren sind somit vor allem die Bewegung des Schulter-Nackenbereichs beim Greifen nach Dingen. (…)

Sie sind ein sehr kooperativer Patient, der ängstlich, aber bemüht ist, den Genesungsprozess mitzugestalten. Sie sind im Bett beweglich und im Zimmer mit Begleitung. Lediglich ihr Kreislauf schwankt aufgrund der Chemotherapie der letzten Woche, sodass sie lieber in Begleitung aufstehen. (…)

Die konkrete Ausgangsposition ist Folgende:

Sie liegen morgens in ihrem Patientenbett, dass Kopfteil ist auf 45° angestellt. Neben ihnen hängt eine gefüllte Urinflasche. Das Bettzeug ist zerwühlt und alles deutet auf eine unruhige Nacht. Sie reiben sich den schmerzenden Bereich und schauen unsicher dem hereinkommenden zu Prüfenden entgegen.

Sie als Patient sind mit der grundlegenden Erfassung von Schmerzen vertraut, da der Expertenstandard auf der Station umgesetzt wird und sie bisher immer morgens nach Schmerzen gefragt wurden, jedoch nie welche hatten.

Aufgabenstellung für den zu Prüfenden

Zeit für Durchführung: 30 Minuten

„Bitte führen Sie eine Anamnese durch. Entscheiden Sie sich auf Basis des Expertenstandards akute Schmerzen 2011 sowie Ihrer Anamnese für eine komplementäre Pflegemaßnahme und führen Sie diese durch!“

Die Darstellung zeigt Ansätze eines sehr umfangreichen Formates. Die Durchführung eines OSCE im Rahmen der Praxisanleitung bietet unzählige Möglichkeiten für den Kompetenzerwerb der Lernenden und eignet sich für die praktische Examensvorbereitung. Dennoch sei auf den hohen Vorbereitungs-und Durchführungsaufwand hingewiesen. Vor allem materielle, aber auch zeitliche und personelle Ressourcen müssen ausreichend vorhanden sein. Im Rahmen von z. B. Schulstation eignet sich diese Methode sehr.


Teil 1 der Serie: Praxisanleitung in der Ausbildung für die Gesundheits- und Krankenpflege

Teil 2 der Serie: Praxisanleitung in der Ausbildung: Lernen am Modell

Teil 3 der Serie: Leittextmethode

Teil 4 der Serie: OSCE als Form der Anleitung

Teil 5 der Serie: Praxisanleitung vs. Praxisbegleitung –  und das Lernen im dritten Lernort?


Literatur:

Kultusministerkonferenz (KMK) (2011): Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_06_17-GEP-Handreichung.pdf, letzter Zugriff 18.04.2024

Goltz, E (2012): Kompetenzorientierte Prüfungsinstrumente. Der Objective Clinical Structured Examination (OSCE) in der Ergotherapieausbildung. In: Therpie Lernen. Ergotherapie- Logopädie- Physiotherapie, (11) 2012, S. 18-26

Pätzold, G. (2006) Berufliche Handlungskompetenz. In: Kaiser, F.-J., Pätzold, G. (Hrsg.) Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. S. 72-74

war als examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger über 7 Jahre in der stationären Pflege an der Berliner Charité beschäftigt. Dort arbeitete er im Fachbereich Hämatologie und Onkologie und war spezialisiert auf die Versorgung von chronischen Wunden und die praktische Anleitung von Auszubildenden und Praktikanten. Zusätzlich hat Herr Rath 3 Jahre lang Gesundheitswissenschaften an der Charité studiert und den akademischen Grad Bachelor of Science erworben. Gelegentlich war er Lehrbeauftragter für das Thema Wundversorgung im Studiengang Bachelor of Nursing der Evangelischen Hochschule Berlin. Derzeit ist er Curriculum Designer bei Relias.
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