Verbindlichkeit von Expertenstandards in der Pflege

Inhaltsverzeichnis

Wie verbindlich sind Pflegestandards in der Pflegepraxis und Pflegefortbildung?

Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) verpflichtet Pflegeeinrichtungen seit 2008 dazu, Expertenstandards anzuwenden, sobald sie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Aber: Bisher wurde dort noch kein Expertenstandard veröffentlicht. Was nun? Sind sie trotzdem verbindlich?

Lesen Sie in diesem Beitrag die wichtigsten Fakten zu Expertenstandards und erfahren Sie, warum die Standards verbindlich sind und in die Pflegefortbildung gehören.

 

Was sind die Expertenstandards?

Expertenstandards stellen den aktuellen Wissens- und Forschungsstand wichtiger Pflegethemen dar. Herausgegeben werden sie vom DNQP – dem Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege. Das DNQP ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Personen aus Praxis, Wissenschaft und Management in der Pflege. Ihr Anliegen ist die stetige Verbesserung der Pflegequalität in Deutschland. 

Jeder Expertenstandard wird von einem eigens dafür gebildeten Team unabhängiger Personen mit entsprechender Fachexpertise und praktischer Erfahrung entwickelt. Eine wissenschaftliche Leitung sichert das hohe wissenschaftliche Niveau der Inhalte. Eine Geschäftsstelle und ein akademisches Team der Hochschule Osnabrück koordinieren und unterstützen die Arbeit an den Expertenstandards.

 

Wie entsteht ein Expertenstandard? 

Phase 1: Entwicklung 

Zunächst sichtet das Team systematisch alle für das Thema relevanten Veröffentlichungen und bewertet diese nach vorher definierten Kriterien. Das Ergebnis dieser Bewertung wird kommentiert und begründet. Daraus ergibt sich ein erster Entwurf für den Expertenstandard. 

 

Phase 2: Konsentierung 

Den Entwurf für den Expertenstandard stellt das Team bei Konsensuskonferenzen der Fachöffentlichkeit vor. Dabei können interessierte Fachpersonen aus Pflege und Pflegewissenschaft den Entwurf kommentieren und ergänzen. Das Entwicklungsteam diskutiert die Kommentare und Ergänzungen anschließend und passt die Inhalte des entstehenden Expertenstandards entsprechend an. Anschließend macht sie den Text als Sonderveröffentlichung zugänglich. 

 

Phase 3: Implementierung 

Mit dieser Sonderveröffentlichung erproben etwa 25 Pflegeeinrichtungen verschiedener Art den Expertenstandard entsprechend einem standardisierten Konzept. Nach dieser Bewährungsprobe wertet das Entwicklungsteam die Praxiserfahrungen aus und passt den Text an. Schließlich veröffentlicht das DNQP den Text abschließend und macht ihn der breiten Pflegeöffentlichkeit zugänglich. 

 

Phase 4: Aktualisierung 

Spätestens fünf Jahre nach der Implementierung wird jeder Pflegestandard aktualisiert. Bei Bedarf können Aktualisierungen auch vorgezogen werden. 

Wie sind Expertenstandards aufgebaut? 

Alle Expertenstandards unterteilen sich in drei Hauptbereiche: 

 

Strukturkriterien 

Dieser Bereich behandelt die Voraussetzungen für die Anwendung des Expertenstandards. Er beschreibt die Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der Pflegefachpersonen sowie die Ressourcen und Rahmenbedingungen der Pflegeeinrichtung. 

 

Prozesskriterien  

Dieser Bereich behandelt die Durchführung der Pflege. Er beschreibt, wie etwas gemacht wird und welche Ressourcen dabei eingesetzt werden. 

 

Ergebniskriterien  

Dieser Bereich behandelt die Ergebnisse, die der Expertenstandard in einzelnen Pflegesituationen anstrebt. Er beschreibt Faktoren, an denen sich die erfolgreiche Verwirklichung des Pflegestandards ablesen lässt.

  

Darstellung der Kriterien in einer Matrix 

Die groben Inhalte sowie die Zusammenhänge der drei Kriterienbereiche zeigt in jedem Expertenstandard eine Matrix. Diese ist Bestandteil der Auszüge der Expertenstandards, die Sie auf der DNQP-Website frei herunterladen können. Die Matrix finden Sie jeweils auf der letzten Seite eines Auszugs.

 

Weitere Bestandteile der Expertenstandards 

Die vollständigen Expertenstandards beinhalten über die Kriterienbereiche hinaus:  

  • den Bericht über die Entstehung des Expertenstandards 
  • die Literaturstudien 
  • den Bericht über die Implementierung 
  • Fragebögen und Protokolle für die Bewertung der Verwirklichung des Expertenstandards im Rahmen des Qualitätsmanagements 

Die vollständigen Expertenstandards können Sie als gedruckte Exemplare auf der Website des DNQP kostenpflichtig bestellen. 

Welche Expertenstandards gibt es bereits?

Sie finden alle Expertenstandards auf der Website des DNQP. Folgende Expertenstandards gibt es: 

  • Dekubitusprophylaxe in der Pflege 
  • Entlassungsmanagement in der Pflege 
  • Schmerzmanagement in der Pflege 
  • Sturzprophylaxe in der Pflege 
  • Förderung der Harnkontinenz in der Pflege 
  • Pflege von Menschen mit chronischen Wunden 
  • Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege 
  • Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz 
  • Förderung der Mundgesundheit in der Pflege 
  • Erhaltung und Förderung der Hautintegrität in der Pflege 
  • Förderung der physiologischen Geburt 
  • Erhaltung und Förderung der Mobilität
     

Expertenstandards als verbindliche Fortbildung? 

Im § 11 (1) SGB XI heißt es: „Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse.“ 

Die Expertenstandards haben sich als Maßstab und Instrument für die Einhaltung dieses Gesetzes in der Praxis durchgesetzt. Sie beschreiben evidenzbasierte Pflegepraxis und dienen dem Nachweis einer qualitativ hochwertigen Pflege. Somit liefern sie klare Kriterien für interne und externe Qualitätsprüfungen.  

Der Medizinische Dienst (MD) nutzt die Expertenstandards als Grundlage für die Bewertung von Pflegeeinrichtungen. Bei juristischen Auseinandersetzungen dienen sie als „vorweggenommene Sachverständigengutachten“. 

Deshalb sind die Expertenstandards entscheidende fachliche Leitfäden für Menschen in Pflegeberufen. Dementsprechend werden sie ausgiebig in die Ausbildung von Pflegeberufen einbezogen. Die Auffrischung dieses Wissens und die stetige Aktualisierung der Kenntnisse über die sich weiterentwickelnden Expertenstandards gewährleisten regelmäßige Pflegefortbildungen dazu. 

Expertenstandards im E-Learning  

Relias bietet zielgerichtet E-Learning-Kurse zu den Expertenstandards an. Außerdem bilden die Expertenstandards die Grundlagen für alle Kurse, die Pflegethemen behandeln. An einigen Kursen haben auch Mitglieder aus Expertenstandard-Entwicklerteams mitgearbeitet. 

Quellen 

DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Aktuelle Übersicht über die Expertenstandards [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Informationen zum DNQP [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Methodisches Vorgehen zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung von Expertenstandards in der Pflege und zur Entwicklung von Indikatoren zur Pflegequalität auf Basis von Expertenstandards [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

GKV-Spitzenverband: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 SGB XI (Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR) vom 27. September 2017 [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

Medizinischer Dienst – Bund: Expertenstandards nach § 113a SGB XI [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

MDS – Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und GKV-Spitzenverband: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes für die Qualitätsprüfung in Pflegeeinrichtungen nach $ 114 SGB XI – Vollstationäre Pflege [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

MDS – Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und GKV-Spitzenverband: Qualitätsprüfungs-Richtlinien Transparenzvereinbarung – Grundlagen der Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 ff SGB XI – Teil 2: Stationäre Pflege [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

PfWG – Pflege-Weiterentwicklungsgesetz [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023].

Sozialgesetzbuch: § 11 SGB XI [online, zuletzt abgerufen am 11.12.2023]. 

 

Bildnachweis: Robert Kneschke – stock.adobe.com

 

war als examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger über 7 Jahre in der stationären Pflege an der Berliner Charité beschäftigt. Dort arbeitete er im Fachbereich Hämatologie und Onkologie und war spezialisiert auf die Versorgung von chronischen Wunden und die praktische Anleitung von Auszubildenden und Praktikanten. Zusätzlich hat Herr Rath 3 Jahre lang Gesundheitswissenschaften an der Charité studiert und den akademischen Grad Bachelor of Science erworben. Gelegentlich war er Lehrbeauftragter für das Thema Wundversorgung im Studiengang Bachelor of Nursing der Evangelischen Hochschule Berlin. Derzeit ist er Curriculum Designer bei Relias.
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