Die Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form der deutschen Sprache. Sie verzichtet auf Ausschweifungen, lange Schachtelsätze und komplizierte grammatikalische Konstrukte. Dafür steht Inklusion und Teilhabe im Mittelpunkt. Das bedeutet: Texte werden so aufbereitet, dass sie von vielen Menschen verstanden werden.
Inklusion und Teilhabe durch Leichte Sprache
Indem die Leichte Sprache zur Selbstbestimmung und Unabhängigkeit beiträgt, leistet sie auch einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität. Der barrierefreie oder zumindest barrierearme Zugang zu Grundlagen des demokratischen Systems – beispielsweise Gesundheit, Politik und Bildung – ist dabei von entscheidender Bedeutung. Er ermöglicht es der Zielgruppe, sich eigenständig zu informieren, eine Meinung zu bilden und in das gesellschaftliche Leben einzubringen.
Historie
Das Konzept einer vereinfachten Sprache ist an sich nichts Neues. So passen wir beispielsweise bei der Kommunikation mit Kindern unsere Sprache an – die Sätze und Wörter werden einfacher und kürzer, dafür sprechen wir langsamer und die Betonung erhält mehr Nachdruck.
Die Umsetzung eines solchen Konzepts im Sinne der Inklusion und gesellschaftlichen Teilhabe fand ihre Ursprünge ab Ende der 1960er-Jahren in Skandinavien, England und Nordamerika durch den Verein „People First“. In Deutschland hingegen ist das Konzept der Leichten Sprache erst ab 1994 durch die Tagung der Bundesvereinigung Lebenshilfe unter dem Motto „Wir wissen selbst am besten, was wir brauchen“ zunehmend ins Blickfeld gerückt.
Wer gehört zur Zielgruppe?
Die Leichte Sprache richtet sich insbesondere an Menschen mit Lernschwierigkeiten und geringen Deutschkenntnissen. Diese Definition schließt auch die Gruppe der funktionalen Analphabeten ein. Von funktionalem Analphabetismus ist die Rede, wenn eine Person zwar einzelne Sätze schreiben oder lesen kann, diese Fähigkeit jedoch nicht auf zusammenhängende Texte übertragen kann. Nach einer von der Universität Hamburg im Jahr 2018 durchgeführten Studie (vgl. Leo 2018 – Leben mit geringer Literalität) können 12,1 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben.
Im Grunde genommen ist der Radius jener, die von Texten in Leichter Sprache profitieren können, jedoch viel größer. Insbesondere das sogenannte Beamten- oder Behördendeutsch stellt auch für im Standarddeutsch geübte Menschen immer wieder eine Herausforderung dar. Auch für Menschen mit Sehschwächen kann die Leichte Sprache das Lesen erleichtern.
Regelwerk
Um ein hohes Maß an Verständlichkeit zu gewährleisten, unterliegt die Leichte Sprache einem speziellen Regelwerk. Dort festgehalten sind die Grundsätze und wie sie umzusetzen sind. Die Regeln beziehen sich jedoch nicht nur auf sprachliche Elemente wie dem Verzicht von Bildsprache oder Konjunktiv oder dem verstärkten Einsatz von Aktivsätzen. Eine ebenso wichtige Rolle spielen Empfehlungen zu Mediengebrauch und Typographie. Damit ein Inhalt wirklich verständlich aufbereitet ist, müssen visuelle Elemente als Stütze und nicht als Ablenkung dienen. Zusammengefasst bedeutet das: Jedes Element muss eine Funktion erfüllen – sprachlich wie auch gestalterisch.
Hier einige konkrete Beispiele aus dem Regelwerk:
- Bindestriche bei langen zusammengesetzten Wörtern
- Keine/wenige Fremd- und Fachwörter
- Leichte Satzstellung: Subjekt – Prädikat – Objekt
- Keine Unterstreichungen
- Bestimmte Schriftgröße und Schriftart
Das aktuelle Regelwerk finden Sie auf der Seite vom Netzwerk Leichte Sprache.
Außerdem wurde 2016 von Duden ein Ratgeber zur Leichten Sprache herausgebracht, der viele weitere nützliche Informationen und Hinweise enthält.
Leichte Sprache in der verbalen Kommunikation
Leichte Sprache kann auch gesprochen werden. In Kursen mit Audio-Elementen sollte dies zwingend berücksichtigt werden. Konkret bedeutet das, dass Texte langsamer und deutlicher ausgesprochen werden. Eine gute und passende Satzmelodie kann immens zum Text-Verständnis beitragen. Eine Plattform, die sich dies zu Herzen nimmt, ist die Internetseite nachrichtenleicht vom Deutschlandfunk. Dort werden jeden Freitag die wichtigsten Nachrichten der Woche in Leichter Sprache veröffentlicht.
E-Learning-Kurs „Schutz vor Ansteckung“ in Leichter Sprache
Nachfolgend zeigen wir Ihnen zur Veranschaulichung ein Beispiel aus unserem Kurs-Portfolio. Der Kurs „Schutz vor Ansteckung“ ist in Leichter Sprache verfasst und basiert auf unserem Kurs in Standardsprache „Hygiene – Infektionen vorbeugen“. Im folgenden Beispiel wird das Wort „Infektionskrankheit“ erklärt.
Beispiel Leichte Sprache:
Beispiel Standardsprache:
Unterschiede lassen sich grafisch und sprachlich erkennen. Der Kurs in Leichter Sprache setzt auf kurze und verständliche Sätze. Zusätzliche Erläuterungen sollen den Lernenden dabei helfen, die Inhalte zu „deuten“. Der Fließtext ist in voneinander abgetrennte Abschnitte unterteilt sowie mit Piktogrammen versehen. Diese Darstellung erleichtert die kognitive Verarbeitung der einzelnen Sätze. Außerdem wurde das schwierige Wort „Infektionskrankheit“ zum besseren Verständnis mit einem Bindestrich versehen.
Auch im nachfolgenden Beispiel lässt sich gut erkennen, dass kurze und verständliche Sätze mit klaren Anweisungen das Fundament unserer Kurse in Leichter Sprache darstellen.
Das Gütesiegel
Nur Texte, die den Standards der Leichten Sprache entsprechen, dürfen auch das Gütesiegel verwenden. Um dies zu gewährleisten, werden die Texte stichprobenartig durch ausgewählte Prüfer*innen gegengelesen. Wird von den Prüfer*innen entschieden, dass ein Text nicht den Standards entspricht, muss er geändert werden.
Die Prüfer*innen kommen aus der Zielgruppe. Das verdeutlicht die Gewissenhaftigkeit beim Umgang mit diesem Thema.
Auch wir bei Relias legen Wert auf eine gewissenhafte Umsetzung in unseren E-Learning-Kursen. Deshalb absolviert die Autorin dieses Artikels zurzeit eine entsprechende Zertifikats-Weiterbildung mit einer anschließenden Abschluss-Prüfung.
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Leichte Sprache und Einfache Sprache – Was ist der Unterschied?
Bei den beiden Begriffen kann es leicht zu Verwechslungen kommen. Dabei hat die Einfache Sprache das gleiche Ziel wie die Leichte Sprache, weist jedoch kein festes Regelwerk auf. Die Einfache Sprache bewegt sich außerdem in einem anderen Kompetenzniveau. Darunter versteht man die Klassifizierung des Sprachvermögens einer Person nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) . Die Stufen des Kompetenzniveaus reichen von A1 = geringe Sprachkompetenz bis C2 = exzellente Sprachkompetenz. Eine Übersicht und Beschreibung der Stufen auf Deutsch finden Sie z. B. auf der Webseite von Deutscher Akademischer Auslandsdienst DAAD.
Während sich das Kompetenzniveau bei der Leichten Sprache zwischen A1 bis A2 bewegt, ist es bei der Einfachen Sprache zwischen A2 und B1 angesiedelt.
Ausblick
Das Thema Leichte Sprache rückt immer mehr ins Blickfeld der Gesellschaft. Hinweise darauf liefert die stetig steigende Anzahl der Hochschulen, Organisationen und Privatpersonen, die entsprechende Inhalte zur Verfügung stellen möchte. Seit den Anfängen hat sich einiges getan: die Leichte Sprache hat es in das Behindertengleichstellungsgesetz (§ 11 BGG) geschafft und für die nahe Zukunft ist eine entsprechende DIN-Norm geplant.
Auch wir bei Relias haben es uns zur Aufgabe gemacht, unser Portfolio zu erweitern und mehr Menschen zugänglich zu machen. So sollen in den kommenden Monaten weitere Pflichtfortbildungen zu den Themen Brandschutz, Arbeitsschutz und Datenschutz in Leichter Sprache folgen.
Passend zum Thema möchten wir Sie auf unseren Blogartikel Digitale Barrierefreiheit in Relias-Kursen hinweisen: Was bedeutet digitale Barrierefreiheit? Für welche Menschen ist diese wichtig? Und wie wird diese in Relias-Kursen umgesetzt? Unser Kursentwickler Dominik Rosehnal hat sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt.
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