Bei Demenz: M�rchen einsetzen im Pflegealltag

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Lesedauer: 4 Minuten

Unsere Bev�lkerung wird immer �lter, und die Zahl der Demenzkranken nimmt best�ndig zu. In Deutschland leben gegenw�rtig fast 1,6 Millionen Demenzkranke; zwei Drittel von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Demenz ist die h�ufigste Ursache f�r die Einweisung in eine Pflegeeinrichtung. Derzeit werden in Deutschland rund 500.000 Menschen mit diesem Krankheitsbild in Pflegeeinrichtungen betreut. Jahr f�r Jahr treten etwa 300.000 Neuerkrankungen auf. Sofern in Pr�vention und Therapie kein Durchbruch gelingt, ist abzusehen, dass sich die Krankenzahl bis zum Jahr 2050 auf rund 3 Millionen erh�hen wird.

Schutz vor Alzheimer?

„Viel lesen und schreiben sch�tzt vor Alzheimer“ so titelte die �rztezeitung. „Wer rastet, der rostet – das gilt auch f�rs Gehirn. Den „Rost“ bilden hier allerdings Proteinklumpen, die Hirnzellen zerst�ren. Das l�sst sich aber offenbar verhindern – wenn man zeitlebens geistig aktiv ist“. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass wir uns vor Alzheimer sch�tzen k�nnen, wenn wir auch schon in jungen Jahren viel lesen und schreiben?� „In einer Meta-Studie unter der Leitung von Professor Michael Valenzuela von der University of Sydney konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass sich kognitives Training positiv auf die Gesundheit unseres wichtigsten Organs auswirkt und signifikante Effekte bei demenzgef�hrdeten Patienten zeigt“ so hei�t es im Newsletter von� Neuronation vom 2.4.2017. Dieses Unternehmen hat in Kooperation mit Wissenschaftsinstitutionen ein eigenes Trainingsprogramm entwickelt, das pr�ventiv geistig fit halten soll.

Empathie koppeln mit biografischem und kreativem Schreiben

Doch was, wenn die Demenz schon eingetreten ist? Frau Professor Dr. Ingrid Kollak von der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin sagt dazu: „Standardtests beschreiben Demenzstadien von leichten kognitiven Beeintr�chtigungen bis hin zu schweren Verlusten von Alltagskompetenzen. Kognitive und sinnliche F�higkeiten nehmen in unterschiedlichem Ma�e ab, und sinnliches Erleben und Gef�hle treten bei Menschen mit Demenz in den Vordergrund. Wenn Betroffene trotzdem schon in fr�hen Stadien der Demenz verstummen, kann das als eine Reaktion auf eine abweisende Umwelt verstanden werden. Eine empathische Umwelt f�rdert dagegen die Sinneseindr�cke und Gef�hle durch psychosoziale Interventionen.� Zu diesen z�hlt das kreative und biografische Schreiben.“

Systemisch, kreativ und empathisch – so soll Therapie bei Demenz sein

Bis vor einigen Jahren wurden die Symptome der Demenz vorrangig mit medikament�sen Behandlungsma�nahmen gelindert – heute gibt es eine �rztliche Leitlinie, die will, dass psychotherapeutische und psychosoziale Ma�nahmen an erster Stelle stehen. Insbesondere die systemische Therapie, die Familienmitglieder einbezieht, kann helfen, den letzten Lebensabschnitt mit Kraft und Zuversicht zu bew�ltigen. �Das Buch Systemisches Arbeiten mit �lteren Menschen vom Carl-Auer-Verlag zeigt Konzepte und Praxisbeispiele. Psychosoziale Interventionen k�nnen kreative Therapien sein, sei es Musik, M�rchen, Schreibspiele, Collagen, Tanz oder Theater. Allerdings muss der Erinnerungs- und Erz�hlfluss durch Methoden und Techniken des kreativen Schreibens erst in Gang gebracht werden; das ist aber einfach zum Beispiel durch das Fragen stellen nach nahe liegenden Themen: „Was hat Menschen stolz oder gl�cklich gemacht, woran erinnern sie sich gern?“ Hier finden Sie einige �bungen von Sudijumi zum Biografischen und Gesundheitsf�rdernden kreativen Schreiben. Auch das W�rterbuch des Kreativen Schreibens von Lutz von Werder & Friends, erschienen beim Schibri-Verlag, enth�lt viele Stichworte, Anregungen und Hintergrund-Informationen.

Schreiben und Erz�hlen mit biografischem Bezug stimuliert

Auch wenn kognitive F�higkeiten abnehmen: Was Menschen mit Demenz auf einer sinnlichen Ebene anspricht, aktiviert. Allerdings nur, solange Reaktionen und Antworten des Pflegepersonals wirklich von wertsch�tzender Haltung getragen sind. Prof. Dr. Ingrid Kollak, Alice Salomon Hochschule Berlin: „Aktuelle Untersuchungen belegen die Wirkungen psychosozialer Interventionen, wie die M�rchen+ Demenz+Studie (Kollak et al. 2016)* oder die Analyse autobiografischer Texte von Patient/innen im fr�hen Stadium der Demenz (Zimmermann 2011**). Schreiben und Erz�hlen mit biografischem Bezug stimuliert und aktiviert Menschen mit Demenz � ganz besonders dann, wenn ihre Assoziationen und (Re)Aktionen wertgesch�tzt werden. Eine solche wertsch�tzende Haltung geht davon aus, dass alle �u�erungen f�r den sprechenden Menschen Sinn haben.�

K�nstlerische Angebote f�r Menschen mit Demenz

„Wenn Demenz- und Alzheimerpatienten M�rchenerz�hlungen zuh�ren, k�nnen sie sich f�r einen Moment entspannen“, so ist es in der �rztezeitung in einem Artikel aus dem Mai 2015 zu lesen. „Wir vermuten, dass das M�rchenerz�hlen das herausfordernde Verhalten der Betroffenen mildern und d�mpfen kann“, so sagt Sozialwissenschaftlerin und Professorin Ingrid Kollak. Viele der Patienten geben T�ne von sich, seien einmal aggressiv und dann wieder lethargisch. Das k�nne den Alltag in den Pflegeheimen lahm legen: „F�r viele Pflegende ist das ein Problem, denn sie wissen im Grunde nicht, wie sie damit umgehen k�nnen“, sagt Kollak. „Das M�rchenerz�hlen wirkt �ber die Gef�hle, die das strukturierte Erz�hlen ausl�st“, mutma�t sie. �ber ihre Studie zum M�rchenerz�hlen und anderen ist ein Buch erschienen*. Dieses Buch zeigt Mitarbeitern der Pflege oder Betreuungspersonen sechs kreative und k�nstlerische Angebote f�r Menschen mit Demenz und bietet konkrete Anleitung f�r die praktische Umsetzung. Es zeigt, wie man Betroffenen trotz ihrer eingeschr�nkten kognitiven Leistungen auf einf�hlsame Weise einen Zugang zu ihrer Umgebung erm�glichen kann, so der wissenschaftliche Springer-Verlag.

M�rchen im Alltag von Pflegeeinrichtungen einsetzen

Erste Ans�tze dazu haben schon Einzug in den Pflegealltag innovativer Pflegeeinrichtungen gefunden. Die Studie von Professor Dr. Ingrid Kollak ging in Berlin in das Modellprojekt „M�rchen und Demenz“ in den Pflegeeinrichtungen der Katharinenhof GmbH und der Agaplesion Bethanien Diakonie gGmbH �ber. Dort finden dazu w�chentliche M�rchenerz�hlungen vor Kleingruppen Demenzkranker in verschiedenen Krankheitsstadien statt. In der Studie von Prof. Dr. Kollak konnte belegt werden, wie positiv entsprechende Interventionen auf Menschen mit Demenz wirken. Besondere Wirkfaktoren lie�en sich bei der Linderung herausfordernder Verhaltensweisen der Demenzpatienten finden. M�rchenerz�hlungen erh�hen die Lebensqualit�t und Teilhabe! �M�rchenland�, das Deutsche Zentrum f�r M�rchenkultur, ist die erste Initiative, die sich der Aufgabe stellt mit M�rchen kreativ-therapeutisch begleiten und in Kooperation mit Pflegeinrichtungen und Wissenschaft aktiv zur Verbreitung dieser wirkungsvollen Intervention beizutragen. Die Initiative wird von namhaften Personen des �ffentlichen Lebens unterst�tzt.

Unterst�tzung und Ausbildung von Pflegenden

Doch nicht nur die die Dermenzkranken profitieren von solch neuen Wegen. Auch das Pflegepersonal, das tagt�glich neuen Herausforderungen ausgesetzt ist und mit Umsicht und Verst�ndnis darauf reagiert, kann mittels gezielter Ausbildung Entlastung verschafft werden.

So gibt es zum Beispiel eine Ausbildung zum professionellen Demenz-Erz�hler mit Hochschulzertifikat im Deutschen Zentrum f�r M�rchenkultur in Kooperation mit der Alice-Salomon-Hochschule. Diese Weiterbildung umfasst sowohl die theoretischen Grundlagen der kreativ-therapeutischen Intervention als auch die praktische Umsetzung in den Pflegealltag. Sie richtet sich an Pflegefachpersonen aus station�ren, ambulanten und h�uslichen Versorgungsbereichen, alltagsbegleiter / -innen sowie M�rchenerz�hler / -innen.

*Kollak I (Hrsg., 2016): Menschen mit Demenz durch Kunst und Kreativit�t aktivieren. Berlin Heidelberg (Springer)

**Zimmermann M (2011): Dementia in life writing: Our health care system in the words of the sufferer. Neurological Sciences, Vol 32(6), Dec, 2011. pp. 1233-1238.

ist Autorin und Bloggerin, Master of Creative and Biographical Writing, Kunst- und Kreativit�tstherapeutin. Sie ist auf Initiative von Prof. Dr. Jalid Sehouli mit Schreibprogrammen zur Gesundheit an der Frauenklinik der Charit� aktiv. Ihr Buch "Mit Schreiben zu neuer Lebenskraft" ist beim K�sel-Verlag erschienen. Dar�ber hinaus ber�t sie Kliniken, Rehas und andere Organisationen, wie sie das Schreiben als wirksames Instrument zur Gesundheitsf�rderung einsetzen k�nnen. An der Psychiatrie der Charit� erh�lt sie die F�rderung des Gesundheitsfonds f�r ein Konzept zur Entlastung und St�rkung von Mitarbeitern in der Pflege. In der Vorstandsarbeit der Europ�ischen K�nstlergilde f�r Medizin und Kultur setzt sie sich f�r eine ganzheitliche Medizin ein.
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