Wahrnehmung und Wirkung von Licht und Farbe – Teil 1

Inhaltsverzeichnis

Im Gesundheitswesen kann neben der medizinischen und/oder pflegerischen Betreuung auch die Farb- und Lichtgestaltung einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden von Patient*innen und Bewohner*innen haben.

Um sich dem Thema zu widmen, bedarf es zunächst einmal der Erläuterung, was Licht und Farbe gemeinsam haben und wie wichtig beide für die Menschheit sind.

Licht und Farbe sind untrennbare Partner im Wahrnehmungsvorgang. Sie werden zusammen mit der Formwahrnehmung zum Gesamtbild.

Wahrnehmung von Farben

Voraussetzungen zum Entstehen einer Farbempfindung sind ein Farbreiz und ein Lebewesen mit einem farbtüchtigen Auge.

Ein Farbreiz entsteht dann, wenn sich das Licht einer natürlichen oder künstlichen Lichtquelle an einem Gegenstand oder Staubteilchen bricht. Dabei werden die auffallenden Lichtstrahlen je nach Beschaffenheit der Materie unterschiedlich absorbiert oder reflektiert. Das heißt, es werden aus dem Farbspektrum des hellen Lichts Teile herausgefiltert, während die Reststrahlung als Farbreiz in unser Auge gelangt.

Der Mensch kann Strahlungen zwischen 380 und 780 nm (Nanometer) oder von Photonen zwischen 385 THz (Terahertz) und 800 THz mit dem Auge registrieren. Tiere haben zum Teil einen anderen Spektralbereich, den sie optisch wahrnehmen können.

Trifft z. B. das Gesamtlicht auf eine blaue Fläche, so werden alle Spektralanteile des Lichts außer dem blauen absorbiert und lediglich Blau reflektiert. Das bedeutet, dass die farbige Erscheinung von Gegenständen auch immer abhängig von der Lichtart ist, z. B. vom Tageslicht oder verschiedenen künstlichen Lichtarten. Farben verändern sich durch unterschiedliche Lichtqualität.

Farbe als Empfindung gehört nicht allein der Fläche an, sondern vor allem dem Raum. Farbe gelangt erst im Raum zur vollen Entfaltung und gewinnt durch das Mitwirken des Lichtes ihre Differenzierung nach Helligkeit und Dunkelheit. Das Sinnesorgan Auge macht das Farbsehen zum Sinneserlebnis.

Das menschliche Auge hat drei Arten von Farbrezeptoren, die in verschiedenen Wellenlängenbereichen empfindlich sind. Diese sind unter der Bezeichnung Zäpfchen bekannt. Des Weiteren besitzt der Mensch noch lichtempfindliche Stäbchen, die schon bei geringerer Helligkeit ansprechen und die beim Sehen in der Dämmerung und in der Nacht genutzt werden. Sie reagieren auf die unterschiedliche spektrale Zusammensetzung des Lichtes.

strahlungsverteilung von tageslicht
Abbildung: Strahlungsverteilung von Tageslicht. Quelle: Waldmann, www.waldmann.com

Die Netzhaut hat an der von der Einfallsrichtung angewandten Seite lichtempfindliche Sinneszellen. Die Iris (Regenbogenhaut), die der elastischen Augenlinse vorgesetzt ist, reguliert die Öffnungsweite der Pupille. Sie kann sich zwischen 1,5 mm und 8 mm verändern.

Das gilt allerdings nur für das jugendliche Auge. Etwa ab dem 50. Lebensjahr sinkt die maximal mögliche Pupillenweite deutlich ab. Die Netzhaut wird folglich bei sinkendem Helligkeitsniveau mit zu wenig Beleuchtungsstärke versorgt, so dass die Zapfen nicht mehr ansprechen. Das Farbsehen verringert sich im Vergleich zu  jugendlichen Augen erheblich.

Im Jahre 2002 ist es Forschern gelungen, bei der Erforschung der neuronalen Ursachen für die Steuerung der zeitlichen Aktivitäten des Körpers, wie Tag-Nacht-Rhythmus, vom Hypothalamus des Gehirns direkte Nervenverbindungen bis in die Netzhaut des Auges zurückzuverfolgen. Hierdurch konnte ein weiterer Sehzellentyp entdeckt werden. Dieser Zelltyp, der auf das kurzwellige Energiespektrum sensibel reagiert, nimmt Einfluss auf die Produktion des Hormons Melatonin, welches die Aktivierung reguliert und auf die Körperrhythmen wirkt – siehe licht.wissen, Heft 19, S. 15.

Am blinden Fleck des Auges befinden sich keine Photorezeptoren. Dort passieren die Sehnerven, zu einem Strang vereint, die Netzhaut. Der Sehnerv leitet elektrische Impulse weiter. Während man einer einzelnen Nervenzelle ihre funktionale Bestimmung nicht ansehen kann, lässt sich ihr Informationspotential nach der Art der verarbeiteten Sinnesinformationen differenzieren. Daraus wird deutlich, dass Sinnesmedien wie Licht, Farbe, Ton und Geruch das Material sind, aus denen sich die Funktionalität der Informationsverarbeitung im Gehirn erklären lässt.

Am Ende der Verarbeitung steht das Farbempfinden mit folgenden Merkmalen:

  • Buntton bzw. Farbton, engl. Hue (H)
  • Helligkeit, engl. Lightness (L)
  • Sättigung, engl. Chroma (C)

Wahrnehmung von Licht

So wie die Wirkung der Farbe auf den Menschen, so ist auch Licht mit vielen Wissenschaften und Fachgebieten verknüpft. So finden wir es beispielsweise in der Psychologie, Physiologie, Biologie, visuelle Ergonomie, Medizin, Chemie Elektronik und Physik. Es formuliert Architektur und verknüpft sich ästhetisch mit dem Empfinden des Schalls und direkt oder indirekt des Klimas.

Die natürliche Form von Licht ist das Sonnenlicht, aber auch in Form vielfältiger künstlicher Leuchtmittel nehmen wir Licht wahr.

Das natürliche Tageslicht bildet das gesamte sichtbare Spektrum elektromagnetischer Strahlung von ungefähr 400-780 nm gleichzeitig ab. Am hellsten wird eine Strahlung mit einer Wellenlänge von 555 nm (Farbe gelb-grün) empfunden. Je mehr die Wellenlängen des Lichtes davon nach oben oder nach unten abweicht, umso stärker sinkt die spektrale Hellempfindlichkeit des Sehapparates, um schließlich bei 380 nm (blau) bzw. bei 780 nm (rot) den Wert null zu erreichen.

Mit abnehmender Gesichtsfeld-Leuchtdichte im Alter wird das Auge für kurzwelliges Licht empfindlicher als für langwelliges Licht.

lichtfarben am himmel
Foto: Wechsel der Lichtfarben am Himmel. Quelle: ERCO, www.erco.com/de/

Biologische Wirkung von Sonnenlicht

Tageslicht ist ausgewogenes weißes Licht, weil Sonnenlicht fast gleichmäßige Proportionen jedes Farbtonbereiches im Spektrum reflektiert. Dieses Licht hat allerdings nie eine gleichbleibende Eigenfarbe. Es kommt darauf an, wie es in der Erdatmosphäre reflektiert und gebrochen wird. Auf diese Art und Weise ändert sich die Lichtfarbe während des Tages sowie nach geografischer Lage und im Verlauf der Jahreszeit.

Aus der Wissenschaft lässt sich ableiten, dass Sonnenlicht eine tiefgreifende Wirkung auf den menschlichen Organismus hat. Sichtbares Licht sowie das angrenzende Ultraviolett und Infrarot sind für die Gesundheit des Menschen absolut erforderlich. Sie wirken auf den menschlichen Organismus durch Strahlung auf die Haut und durch Lichteintritt in das Auge.

Die Wahrnehmung über das Auge beschränkt sich nicht nur auf die Funktion des Sehens. Verschiedene Prozesse, die in der Haut vor sich gehen, sind abhängig von den photochemischen Wirkungen der ultravioletten Strahlung. Eine davon ist die Synthese von Calciferol oder Vitamin D2, die den Stoffwechsel von Phosphor und Kalzium fördert. Untersuchungen zeigen, dass ultraviolette Strahlung allgemeine physiologische Wirkungen verursacht, wie z. B. einen reduzierten Pulsschlag, abfallenden Blutdruck, Änderung in der Hauttemperatur oder Beschleunigung des Stoffwechsels. Kürzere Reaktionszeiten und Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen sind die Folge.

Die Wärmestrahlung des Infrarots auf der Haut verursacht eine Gefäßerweiterung und beeinflusst die Körpertemperatur, was eine Erhöhung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit zur Folge hat.

Biologische Wirkung von LED

Die Abkürzung LED steht für Licht emittierende Diode. Für eine positive biologische Wirkung und eine dynamische Farblichtänderung ist LED sehr gut geeignet. Da die weiße LED aus einer blauen LED mit Phosphor besteht, kann anhand der Phosphorkonzentration die Intensität der blauen Spektrallinien variiert werden. Je mehr Phosphor eingesetzt wird, desto mehr Blauanteile werden in sichtbares Licht umgewandelt. Das bedeutet: bei einer Farbtemperatur von 3000 K (Kelvin) ist nur noch ein sehr geringer Blauanteil vorhanden, während bei einer Lichtfarbe von 7000 K ein sehr hoher Blauanteil vorhanden ist.

Aus einer Kombination dieser beiden Lichtfarben und einer geeigneten Steuerung kann man zwischen einer Lichtfarbe mit einer hohen biologischen Wirkung und einer Lichtfarbe mit geringerer biologischer Wirkung wechseln. Dadurch lassen sich hochmoderne Beleuchtungssysteme entwickeln, die die Gesundheit nachhaltig fördern.

biologisch wirksames licht
Abbildung: Biologisch wirksames Licht. Quelle: Sparte Licht im FEEI – https://www.feei.at/leistungen/informations-service/wissen-uber-licht

Fazit

Licht und Farbe bestimmen unsere Lebenswirklichkeit. Hierüber nehmen wir die Identität von Menschen, Orten und Dingen auf eine unmittelbare verständliche Weise wahr. 90% unserer Wahrnehmung erfolgen über den Sehsinn.

Erwiesen ist auch die psychologische Wirkung von Licht, welche in Bildungseinrichtungen und Arbeitsstätten zu mehr Leistungssteigerung führt und gleichzeitig den Krankenstand reduziert.

Aber auch in Gesundheitseinrichtungen trägt diese zur Genesung der Patient*innen bzw. zum Wohlfühlfaktor der Bewohner*innen bei. Auch das Personal ist motivierter bei der Arbeit.

Da die Wahrnehmung sich je nach Alter verändert, sind Gebäude in der Farb- und Lichtgestaltung dem Nutzer entsprechend zu gestalten. Darüber berichte ich in meinem nächsten Artikel: Wahrnehmung und Wirkung von Licht und Farbe – Teil 2.


Bildnachweis: creativika – stock.adobe.com; Waldmann – www.waldmann.com; ERCO – www.erco.com/de/; Sparte Licht im FEEI – www.feei.at/energie/licht/biologisch-wirksame-beleuchtung-was-steckt-dahinter

ist freischaffende Architektin seit 1997 mit eigenem Büro. Sie hat sich auf barrierefreies Bauen und Gesundheitsbauten, bezogen auf Licht- , Farbgestaltung und Ausstattung Planung und Erstellung von Leitfäden zum Thema: Wohnen im Alter, Barrierefreie Planung im Bestand und Neubau, Wohnberatung, Wohnanlagen für Demenzkranke spezialisiert. Dazu gehört auch die Licht- und Farbgestaltung im Krankenhaus, Demenz- und Pflegeeinrichtungen sowie Arzt- und Therapiepraxen. Sie hat zahlreiche Fachpublikationen national und international. Sie ist Buchautorin ("Barrierefreie Lebensräume"), erschienen beim Beuth-Verlag. Bundesweit hält sie Seminare, Vorträge auf Kongressen und tagt auf Messen im Auftrag der Berufskammern für Ärzteweiterbildung, Pflegemanagement und ist in der Industrie tätig. Sie ist Gastdozentin an der TU Berlin, ASH, Evang. HS, HS Magdeburg, FS Campus Health, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und am Institut für Technologie Greifswald.
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