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Die Integration internationaler Pflegepersonen in Deutschland: Herausforderungen und Lösungsansätze

Inhaltsverzeichnis

Als verantwortliche Person im Gesundheitswesen kennen Sie eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen: Deutschland steht vor einem drastischen Mangel an Pflegepersonal. Die steigende Nachfrage nach Fachkräften im Pflegebereich kann Deutschland nur durch innovative und strategisch durchdachte Lösungen decken. Deswegen versuchen Politik und Wirtschaft gezielt, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Doch die Integration dieser Fachkräfte gelingt nie ohne Herausforderungen für alle Beteiligten. In einem Webinar – geleitet von Birthe Scheffler und Carolina Brügmann-Okbay – beleuchten die Expertinnen diese Herausforderungen und zeigen Lösungsansätze auf.

Die Ausgangslage: Ein steigender Bedarf an Pflegepersonen

Bis 2025 werden voraussichtlich 150.000 zusätzliche Pflegepersonen benötigt, bis 2030 sind es eine halbe Million. Ein Lösungsansatz ist das Vermittlungsprogramm Triple Win. Ziel ist es, eine nachhaltige Mobilität zu schaffen, die dabei hilft, den Bedarf an Fachkräften zu decken und zugleich keine negativen Auswirkungen auf das Herkunftsland hat.

Deutschland hat das Netzwerk seit 2012 weiter ausgebaut und arbeitet nun mit den folgenden Staaten zusammen:

  • Bosnien-Herzegowina
  • Indonesien
  • Jordanien
  • Philippinen
  • Serbien
  • Tunesien
  • Vietnam
  • Teile Indiens

Aus diesen Ländern werden interessierte Fachkräfte an deutsche Arbeitgeber vermittelt. Diese internationalen Pflegepersonen sind in ihren Herkunftsländern examiniert und haben oft sogar einen akademischen Hintergrund. Doch die Qualifikationen unterscheiden sich dennoch teilweise erheblich und betreffen nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern auch Inhalte der Ausbildung.

Deswegen ist es üblich, dass die internationalen Pflegepersonen in Deutschland noch weitere Qualifikationen erwerben müssen. Je nach Land müssen sie manchmal auch eine vollständige generalistische Ausbildung in Deutschland und auf Deutsch absolvieren. Dies ist beispielsweise bei Pflegepersonen aus Vietnam der Fall.

Auch sprachlich müssen viele noch hinzulernen: Je nach Bundesland erfüllt bereits das Sprachniveau B1 die Anforderungen der Einreise nach Deutschland.  Dann ist allerdings ein berufsbezogener Sprachkurs mit erfolgreicher Abschlussprüfung Voraussetzung dafür, in Deutschland zu bleiben und arbeiten zu dürfen. Doch selbst mit B2, das in den anderen Bundesländern erforderlich ist, reichen die Sprachkenntnisse schon im Alltag oft nicht zur problemlosen Verständigung aus.

Erwartungen und Realität: Die Herausforderungen der Integration

Die Integration internationaler Pflegepersonen ist komplex und vielfältig. Nur selten ist die Integration vollständig ohne Barrieren möglich. Alle Beteiligten müssen mit anpacken, damit sie gelingen kann, und Verständnis füreinander aufbringen.

Sprachwissenschaftlerin Birthe Scheffler kennt die Herausforderungen nicht zuletzt aus ihrer Tätigkeit als Fortbildnerin und Trainerin für Berufsbezogenes Deutsch, Integration und Interkulturalität am Arbeitsplatz.

Sie berichtet von den typischen Schwierigkeiten. So fühlt sich das Stammpersonal anfangs durch internationale Pflegepersonen oft zusätzlich belastet. Es hat das Gefühl, unter hohem Zeitdruck deutsche Sprachkenntnisse vermitteln zu müssen. Hinzu kommt, dass die zugewanderten Kolleg*innen häufig nicht ausreichend mit den in Deutschland üblichen grundpflegerischen Tätigkeiten vertraut sind.

Und auch beim zugewanderten Pflegepersonal kann sich in bestimmten Situationen Überforderung einstellen. Gründe für Sprachbarrieren sind zum Beispiel das Gefühl, Patient*innen oder Kolleg*innen nicht richtig zu verstehen, die hiesigen Gepflogenheiten des Smalltalks nicht zu kennen oder selbst nicht richtig verstanden zu werden. Hinzu kommt die Aufgabe, sich in einem neuen kulturellen Umfeld zu bewegen.

Häufig erlebte Herausforderungen

Die internationalen Pflegepersonen stoßen im beruflichen Alltag vor allem in drei Bereichen auf Herausforderungen:

1. Fachliche Ebene:

Oftmals unterscheidet sich zwischen Pflegepersonen aus Deutschland und anderen Ländern das Berufsverständnis, was die Aufgaben, Rollen und das Pflegerecht betrifft. Die Ausbildungen und Standards sind unterschiedlich.

Während pflegerische Grundlagen in Deutschland essenziell sind und auch die patientenzentrierte Pflege einen wichtigen Stellwert einnimmt, wird dies so in vielen Ländern nicht gelehrt. Es ist dort teils immer noch deutlich üblicher, dass große Anteile der Pflege durch Verwandte übernommen werden. Und auch das Hygieneverständnis kann sich unterscheiden.

2. Sprachlich-kommunikative Ebene:

Viele internationale Pflegepersonen sind von dem hohen Kommunikationsanteil überrascht. „Pflege ist Sprache und Sprache ist Pflege“ – das ist unter in Deutschland ausgebildeten Pflegepersonen bekannt. Aber dass Pflegepersonen im Laufe ihrer Schicht mit vielen unterschiedlichen Gesprächspartner*innen kommunizieren müssen, ist herausfordernd.

Dies gilt umso mehr, weil Pflegepersonen dabei „mehr als eine Sprache“ beherrschen müssen:

  • mit Kolleg*innen reden sie umgangssprachlich in der Pause,
  • sie dokumentieren in Verwaltungssprache,
  • sie reden in Fachsprache mit medizinischem Personal,
  • und sie müssen für die Personen mit Pflegebedarf und/oder deren Angehörige medizinische Inhalte fachlich korrekt, aber verständlich erklären können.
  • Hinzu kommen in vielen Regionen noch örtliche Dialekte, die das Verständnis weiter erschweren können.

3. Interkulturelle Ebene:

Die Länder, aus denen Pflegepersonen nach Deutschland kommen, sind sehr unterschiedlich, und entsprechend verschieden können auch die kulturellen Prägungen sein. So gibt es vielfach unterschiedliche Vorstellungen von Nähe und Distanz und dem Hierarchieverständnis. Zudem gibt es abweichende Gesprächskonventionen, beispielsweise in Bezug auf Privatheit. Und manchmal tun sich die zugewanderten Pflegepersonen schwer, bei Kenntnislücken nachzufragen.

Diese Herausforderungen können beim Stammpersonal auf den gleichen Ebenen zu Missverständnissen führen:

1. Fachliche Ebene:

Häufig ist es so, dass in Deutschland ausgebildete Pflegepersonen nicht in anderen Ländern mit großen kulturellen Abweichungen gearbeitet haben. Dadurch gehen sie vielfach von einer Allgemeingültigkeit des deutschen Pflegeverständnisses und der Kenntnis darüber aus. Für sie ist es oft überraschend, dass Pflege in anderen Ländern anders durchgeführt wird.

2. Sprachlich-kommunikative Ebene:

Das Stammpersonal hat oft gerade nach der Ankunft der zugewanderten Pflegepersonen das Gefühl, nicht gut verstanden zu werden.

3. Interkulturelle Ebene:

Aus Unwissenheit setzt das Stammpersonal Schüchternheit und Zurückhaltung fälschlicherweise häufig mit einem mangelnden Integrationswillen ins Team gleich. Eine persönliche Ebene durch Smalltalk herzustellen, ist aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Prägungen ebenfalls herausfordernd.

Diese Konflikte lassen sich jedoch mit den richtigen Maßnahmen und etwas Verständnis füreinander oft sehr gut lösen.

Das Konzept des integrierten Fach- und Sprachenlernens (IFSL)

Das Konzept des integrierten Fach- und Sprachenlernens zielt darauf ab, sprachliche und fachliche Lernziele der zugewanderten Pflegepersonen miteinander zu verknüpfen. Das Lernen von Fachinhalten ist untrennbar mit dem Sprachenlernen verbunden. Die sprachliche Kompetenz ist ihrerseits ein zentraler Teil der beruflichen Handlungsfähigkeit.

Das Konzept IFSL hat das Ziel, die Sprachkenntnisse individueller und berufsbezogener zu gestalten. Dafür sollen die Praxisanleitenden und Fachlehrende auch befähigt werden, mit der jeweiligen Situation der Lernenden konstruktiv umzugehen. Sie sollen verstehen, was genau warum sprachlich herausfordernd ist, und lernen, gezielter zu unterstützen.

Die Umsetzung des Konzeptes gelingt im pflegerischen Kontext durch drei wichtige Bestandteile:

  • Der Einsatz von berufstypischen Szenarien, die authentisch und realistisch sind.
  • Training von sprachlich-kommunikativen Pflegehandlungen.
  • Üben von kulturellen Gepflogenheiten.

Sprachlerninstrumente des IFSL

Expertin Birthe Scheffler ist sich sicher: B1+ oder B2 reichen im Alltag nicht aus, um für alle Beteiligten eine zufriedenstellende Situation herzustellen. Wortschatz und Strukturen sind prinzipiell unendlich. Es ist wichtig, dass nach der Anerkennung des Sprachniveaus weiterer Sprachunterricht stattfindet und dieser an die Situation des internationalen Pflegepersonals angepasst wird.

Dazu gehört auch, dass Unterrichtsmaterial von Pflegepädagog*innen zu Beginn verständlich und in einfacherer Sprache vermittelt wird, um dann sukzessive den Anteil von Wortschatz und Strukturen zu erhöhen. Es ist wichtig, dass die Lehrenden Stolpersteine im Alltag kennen. Dadurch können sie typische Handlungsszenarien und unterschiedliche Kommunikationssituationen (auch „Sprachregister“ genannt) besser an die internationalen Pflegepersonen vermitteln.

Relias: Die Herausforderungen der Integration internationaler Pflegepersonen durch Wissen meistern

Im Anschluss stellt Carolina Brügmann-Okbay, Übersetzungswissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf Medizin sowie Kursautorin und Lektorin bei Relias, praktische Lösungsansätze vor.

Als Spezialist für Fortbildungen und Weiterbildungen im Gesundheits- und Sozialwesen bietet Relias eine ständig wachsende Kursbibliothek mit mehr als 200 Kursen und Lerneinheiten an, die auf verschiedene Berufsgruppen und Einrichtungstypen zugeschnitten sind. Die angebotenen Kurse decken sowohl Pflichtfortbildungen und Expertenstandards ab und behandeln darüber hinaus auch viele weitere spannende Fachthemen.

Im Kontext der Integration von zugewanderten Pflegepersonen bietet Relias zwei unterschiedliche Kurse an:

  • die Kursreihe „Fachbezogenes Deutsch“ für zugewandertes Pflegepersonal und
  • die Kursreihe „Internationale Fachkräfte erfolgreich integrieren“ für das Stammpersonal.

In beiden Kursreihen vermittelt Relias Wissen über interkulturelle Themen und arbeitet mit dem Konzept des integrierten Fach- und Sprachenlernens. Auf diese Weise sind alle Beteiligten besser auf die Herausforderungen vorbereitet und können sie deutlich leichter lösen.

Die Kursreihe „Fachbezogenes Deutsch“

Sprache zu lernen, weiterzuentwickeln und zu verbessern, ist wichtig für zugewandertes Pflegepersonal. Relias bietet einen Grundlagenkurs, der das theoretische Wissen zu der Kursreihe vermittelt. Darauf aufbauend stellen wir weitere themenbezogene Kurse bereit. Das Sprachniveau sollte für alle Kurse mindestens B1+ sein.

Auf diesem Bild sehen Sie einen Ausschnitt aus einem der E-Learning-Kurse zur Integration internationaler Pflegepersonen.

Die Kurse enthalten Aufgaben zum Üben typischer alltagsbezogener sprachlich-kommunikativer Anforderungen. Sie vermitteln Wissen zu fachlichen und interkulturellen Unterschieden. Zudem beinhalten sie Anhänge mit Redemitteln zu verschiedenen Themen (Ausdrücke und Vokabular).

Die Sprachkurse sensibilisieren das Pflegepersonal auch für die Unterschiede im Berufsverständnis und in Bezug auf pflegerische Grundlagen. Dafür arbeiten sie mit typischen Abweichungen. Die Pflegepersonen werden mit Nachfragen zu möglichen Lösungen und Verhaltensweisen zur Reflektion angeregt und auf konkrete Situationen vorbereitet.

Außerdem werden sie in der Kommunikation mit diversen Gesprächspartner*innen geschult. So erfahren sie, welche Unterschiede im Gespräch beispielsweise mit Kolleg*innen, Patient*innen oder Ärzt*innen auftreten und welche Informationen wie weitergegeben werden. Dadurch wissen sie besser, welche Worte für Personen mit Pflegebedarf geeignet sind oder wo Fachsprache notwendig ist. Die subtileren Ebenen und Nuancen werden so verständlicher und können von Deutschlernenden besser erfasst und angewendet werden.

Die Kurse thematisieren auch unterschiedliche kulturelle Prägungen. Die Lernenden erfahren, wie sie sicher Smalltalk führen können, und werden dazu animiert, bei Unklarheiten nachzufragen.

Kursreihe: Internationale Fachpersonen erfolgreich integrieren

Die Kursreihe „Internationale Fachpersonen erfolgreich integrieren“ richtet sich an das Stammpersonal in Deutschland, das mit internationalen Pflegepersonen zusammenarbeitet. Sie sensibilisiert es für die Herausforderungen der deutschen Sprache und Interkulturalität.

Die Kurse decken Themen wie Lernen im Erwachsenenalter, Sprachregister und Tipps zur Überwindung von Sprachbarrieren ab. Sie fördern zudem das Verständnis für interkulturelle Kommunikation und helfen, Missverständnisse zu vermeiden.

Auf diesem Bild sehen Sie einen Ausschnitt aus einem der Relias E-Learning-Kurse zum Thema Integration internationaler Pflegepersonen

Erwachsene lernen Sprache ganz anders als Kinder, die vorbehaltlos und spielerisch an die fremde Sprache herangehen. Häufig orientieren sich Erwachsene sehr an den Strukturen und kämpfen deutlich stärker mit Sprachbarrieren. Die deutsche Sprache ist zudem alles andere als leicht: drei Artikel, Synonyme, endlose zusammengesetzte Wörter und zahlreiche Ausnahmen erfordern einen hohen Lernaufwand.

Für Stammpersonal ist es sehr hilfreich, den eigenen Sprachgebrauch zu reflektieren, um besser mit Menschen zu kommunizieren, die Deutsch noch lernen. Außerdem vermittelt die Kursreihe Tipps und Tricks, um Sprachbarrieren zu überwinden, und hilft auch dabei, interkulturelle Unterschiede zu verstehen. Auf diese Weise können viele Irritationen und Fehlinterpretationen des Gegenübers vermieden werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf typischen Kommunikationssituationen im Berufsalltag. Es geht nicht um Klischees, sondern um Perspektivenwechsel, damit Kommunikation auf Augenhöhe stattfinden kann.

Wenn beide Seiten sich verstehen, erleichtert dies die Integration internationaler Pflegepersonen in Deutschland deutlich. Durch die Kombination von Sprach- und Fachkompetenzen sowie interkulturellem Verständnis können Konflikte überwunden und eine effektive Zusammenarbeit in der Pflegebranche gewährleistet werden. Das Stammpersonal ist besser auf kulturelle und sprachliche Unterschiede vorbereitet, was typische Missverständnisse und Integrationshindernisse vermeidet. Passende Kurse finden Sie in der Kursbibliothek von Relias.

Das vollständige Webinar mit Carolina Brügmann-Okbay und Birthe Scheffler können Sie sich hier anschauen: Zur Webinar-Aufzeichnung „Integration internationaler Pflegepersonen – sprachliche und kulturelle Barrieren überwinden“

studierte Übersetzungswissenschaften mit der Sprachkombination Deutsch, Spanisch und Englisch, wobei sie sich im Ergänzungsfach für eine medizinische Ausrichtung entschied. Nach langjähriger Erfahrung als Übersetzerin und Lektorin für diverse Unternehmen und Auftraggeber, erkundete sie neue Ufer und absolvierte eine Qualifizierung im Bereich E-Learning für Erwachsene. Letzteres ermöglichte ihr, Einblicke in die neuesten Erkenntnisse aus der Pädagogik und Lernpsychologie zu gewinnen, diese mit ihrem linguistischen Wissen zu verknüpfen und bei der Erstellung von Lehrmaterialien umzusetzen. Seit 2021 ist Carolina Brügmann-Okbay als Kursautorin/Lektorin bei Relias tätig. Derzeit durchläuft sie eine Zertifikats-Weiterbildung für Leichte und Einfache Sprache.
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